Betreten verboten
Grünfläche genießen? Gern. Aber nur vom Küchenfenster aus.
Als ich nach Wien gezogen bin, habe ich mich ziemlich gefreut. Ich mochte Wien, fand meine Wohnung sehr in Ordnung. So richtig hin und weg war ich aber erst, als ich den kleinen Hinterhofgarten unseres Wohnhauses entdeckte: ein drei, vielleicht fünf Meter breiter Grünstreifen, so lange wie die Hausmauer, mit zwei großen Bäumen und unzähligen wilden Glockenblumen. Ein Kleinod zwischen der Mauer des einen und der des anderen Hauses.
Nur höflichkeitshalber fragte ich die Vermieterin damals, ob man sich da hinaussetzen dürfe.
Eh nur vielleicht. Und eh nur zum Lernen. Oder zum Lesen. Mit einem kleinen Klapptischerl vielleicht – zum Kaffeetrinken. Keinesfalls zum Partymachen. Und natürlich nicht zum Grillen. "Nein, nein!", hieß es damals. Auf gar keinen Fall dürfe man da draußen sitzen! Wo man denn da hinkomme! Dadurch könnten sich ja andere Mieter gestört fühlen. Das wäre ja noch schöner!
Das ist zwar mittlerweile neun Jahre her, aber noch immer bleiben so viele schöne Hinterhofgärten in Wien ungenutzt.
Und das ist nicht nur schade, sondern kontraproduktiv.
Weil erstens: Der Hype um die viel zitierte Anonymität der Großstadt flaut ab. Die Menschen schließen sich zu Grätzel-Initiativen zusammen und feiern Nachbarschaftsfeste. Sie wollen offensichtlich wissen, neben wem sie da leben.
Zweitens: Garteln boomt. An jeder Ecke sprießt ein Gemeinschaftsgarten. Die Menschen versuchen sich im Erdäpfelgraben und Tomatenzüchten – auf dem Balkon. Sie hoffen auf eine reiche Erbeerernte und schauen der Minze beim Wuchern zu.
Wien hat Hunderte (oder Tausende) süßer, kleiner Hinterhofgärten. In manche davon werden zwar Touristen geführt ("Oh wie schööön! Und das ist in der Großstadt!"), aber die Mieter müssen draußen bleiben. Grünfläche genießen? Gern. Aber nur vom Küchenfenster aus.
Liebe Vermieter! Gebt euch einen Ruck. Öffnet Herzen, öffnet eure Hinterhöfe. Vielleicht schaut ja einmal eine Erdbeere als Dankeschön heraus!
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