Auf sechs Krügel in der Seidlgasse

Wer von Wien-Mitte in Richtung Rochusmarkt spaziert, der könnte meinen, der dritte Bezirk habe eine besondere Beziehung zu Bier.

Von der Landstraßer Hauptstraße kann man direkt in die Seidlgasse einbiegen und dort in einem der Lokale auch eines trinken – oder auch ein Krügel. Oder auch sechs Krügel.

Stilechter wäre es aber natürlich, sich von der Seidlgasse über den Rochusmarkt in die Sechskrügelgasse zu bewegen und sich dem Unterfangen, sechs Krügel zu trinken, dort zu stellen.

Beide Gassen haben jedenfalls abseits des Namens herzlich wenig mit Bier zu tun. Das " Seidl" in der Seidlgasse kommt von Johann Gabriel Seidl. Hofschatzmeister und Lyriker, der übrigens den Text zur alten Kaiserhymne ("Gott erhalte ...") schrieb. Und die war bekanntlich dem Kaiser gewidmet und nicht dem Bier.

Auch die sechs Krügel von der Sechskrügelgasse haben nichts mit Bier zu tun, sondern stammen vom Hausschild des Hauses mit der Nummer 2 mit dem Namen "Zu den sechs Krügeln". Früher hieß die Gasse überhaupt nur Krügelgasse – also von wegen, hier kippten die Menschen irgendwann einmal gerne sechs Krügel hintereinander.

Die einzige Gasse, die in dem Grätzel auch tatsächlich etwas mit Bier zu tun hat, ist die Neulinggasse zwei Gassen von der Sechskrügelgasse entfernt. Benannt nach Vincent Neuling, Braumeister und Etablissement-Besitzer.

Ob Neuling lieber ein Seidl oder sechs Krügel trank, ist nicht überliefert. Auch nicht, ob er nicht vielleicht eher ein Zwickl-Typ war. Oder ein Pfiff-Verehrer. Oder ein Spritzwein-Fan.

Damit sich der dritte Bezirk in Sachen Straßenbenennung auch in Zukunft treu bleiben kann, schlage ich hiermit folgende Namen vor:

Zwickl-Seidl-Gasse (weil ein Zwickl-Seidl immer besser ist als ein Zwickl-Krügerl). Pfiff-Platz (weil das Alt-Wiener Maß niemals in Vergessenheit geraten darf) und Spritzer-Straße (weil auch Spritzwein-Trinker in einem Bier-Grätzel ein Recht auf ihre Gasse haben).