sex IN DER FREIZEIT: Sex, Lügen und keine Videos

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So manches, was uns unter dem Emblem Wissenschaftler haben herausgefundendem Publikum als geradezu bahnbrechende Sexual-Erkenntnis serviert wird, entpupptsich oft einmal als waschechtes No-Na.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Echt keine Ahnung, wie viele Male ich in meinem Journalistenleben den magischen Satz "Wissenschaftler haben herausgefunden" schon gelesen und mitunter auch selbst niedergeschrieben habe. Ich weiß nur: Es kam das eine oder andere Mal vor. Dieses einleitende Stück "Literatur" ist irrsinnig praktisch, weil er so manch banaler Aussage das gewisse seriöse Etwas verleihen kann. Es kommt eben besser, wenn einem "Männer bevorzugen große Brüste" das Entree "Wissenschaftler haben herausgefunden", vorausgeschickt wird. So mutiert ein No-Na-Gedanke flugs zu einer These oder gar großartigen Erkenntnis. Dabei assoziieren wir Haare raufende Herren in weißen Mänteln, die in fensterlosen Labors die Spezies Mann unter die Lupe nehmen und ihre Brustbevorzugungsthesen nächtelang diskutieren: "Professor, gehen wir unsere Annahmen nochmals exakt durch. Gruppe 1 behauptet, eine Handvoll Brustfleisch wäre gerade recht. Dagegen spricht die Summe x hoch 2, die sich ergibt, wenn man die Meinungs-Schnittmenge der Gruppen 1, 2 und 3 durch die Wurzel des statistisch relevanten Brustumfanges dividiert. Worauf zu folgern ist: Je größer, desto geiler. Heureka!" Irgendwann erreicht das Ergebnis dieser fundierten Denkarbeit dann als "neue Studie" das Licht der Welt. Und die Menschheit ist wieder um etwas reicher, das eigentlich eh schon jeder gewusst/geahnt hat. Ähnliches ließe sich auf "Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Frauen beim Orgasmus oft schwindeln", "Forscher haben herausgefunden, dass 85 Prozent der Männer heimlich masturbieren" oder "Laut US-Wissenschaftlern träumen Frauen häufig von Sex mit ihrem Chef" umlegen. Eine hätte ich noch (soeben bei Google News entdeckt): "Laut Forschern mögen 85 Prozent der Deutschen Sex." Ah eh. Eine wie ich ist natürlich höchst dankbar für all diese kleinen und großen Würfe - sie sind das Substrat für diverse erotische (oder auch weniger erotische) Gedankenspielereien. Daher habe ich mich dieser Tage darüber recht gefreut: "US-Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Männer genauso oft an Essen und Schlafen denken wie an Sex." Obwohl ich glaube, dass Menschen, die zu ihrem Intimleben befragt werden, eher selten die Wahrheit sagen, kann ich nur sagen: Endlich! Endlich hat sich jemand dieses fundamentalen Themas angenommen. Schluss mit dem diskriminierenden Volksglauben, Männer würden immer nur lendenwirbelnd durchs Neandertal ihrer genitalfixierten Existenz poltern, mit dem primitiven Ziel - wurscht wo - Sperma zu deponieren? Ein Dolm, der das vermuten würde. Wie gut also, dass es die Wissenschaft gibt, die mit diesem gemeinen Mythos nun radikal aufräumt. Sie beweist - und es war höchste Zeit dafür -, dass Männer auch nur Menschen wie du und ich sind. Und sicher keine schwanzgesteuerten Lüstlinge. Männer! Zarte Wesen zum Anfassen, von geradezu rührender Bedürftigkeit. Auch sie leiden Hunger, auch sie haben Durst und sehnen sich nach einem kuscheligen Daunenbettchen, in dem sie von Butterbroten, Spaghetti, Strudel und blutigen Steaks träumen können. Ich vermute fast, diese Studie hat das Zeugs, die Welt zu verändern.

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