Nachglühen

Guter Sex macht nicht nur im Moment glücklich und zufrieden, sondern hat nachhaltige Effekte auf das Seelenleben von Frau und Mann. Noch 48 Stunden nach dem Akt fühlen sich viele Menschen von der Lust beseelt.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Ein Phänomen, das bis zu 48 Stunden nach dem Sex high macht und alles ein bisschen pink färbt.

von Gabriele Kuhn

über den "Afterglow-Effekt"

"Und alle Lust will Ewigkeit. Will tiefe, tiefe Ewigkeit. Punkt für Friedrich Nietzsche und diesen Satz aus Also sprach Zarathustra. Denn ja: Fast jeder Mensch sehnt sich auf seine Weise nach einem niemals enden wollenden Lustzustand. Wohl auch, weil die Lust keinem Zweck folgt und sich selbst genügt. Sie will nichts, sie fordert nichts, wenn sie da ist, ist sie da. Und dann surfen wir so herrlich zeitlos die Welle. Der Orgasmus gilt naturgemäß als Gipfel dieses Lusterlebens, die Tücke daran: Ewig ist da leider gar nichts. „The Big O“ dauert kaum mehr als ein paar Sekunden.

Afterglow als Phänomen

Und dennoch wirkt guter Sex nachhaltig – nicht nur auf den Körper, der sich auch noch Stunden nach dem Vögeln so fedrig anfühlt wie ein paar Cirruswolken auf knallblauem Junihimmel, sondern auch auf die Seele. „Afterglow“ nennen Forscher ein psychologisches Phänomen, das bis zu 48 Stunden nach dem Sex high macht und alles ein bisschen pink färbt. Übersetzen lässt sich der Begriff auf vielfältige Weise: „Afterglow“ steht für „Nachglut“, „angenehme Erinnerung“ genauso wie für „Nachglühen“. Vermutlich trifft’s Letzteres am schönsten – im besten Fall fühlen sich Körper und Seele „danach“ noch länger warm, wohlig und weich an.

Beobachtet wurde der After-Glow-Effekt im Rahmen einer neuen Studie mit frisch Verheirateten. Diese wurden gebeten, über zwei Wochen genau aufzuzeichnen, an welchen Tagen sie Sex hatten. Nicht nur: Die Frauen und Männer sollten außerdem aufschreiben, wie zufrieden sie sich täglich fühlen beziehungsweise, wie sie ihre Beziehung und ihr allgemeines Sexleben empfanden. Die Wissenschaftler schauten sich in der Folge genau an, wie der Sex nachwirkte. Und siehe da: 24 Stunden und gar 48 Stunden nach Tagen mit Sex fühlten sich die „Probanden“ zufriedener, glücklicher, ausgeglichener und fröhlicher. Nicht nur ganz allgemein, sondern auch in der Beziehung. Klar könnte man jetzt sagten: Bei frisch Vermählten – kein Wunder! Doch die Psychologen vermuten, dass dieses Prinzip sogar für ältere Ehe-Hasen gilt, vorausgesetzt, zwei haben noch Sex, den sie als befriedigend und tiefgreifend empfinden. Mögliche Gründe für das „Nachglühen“-Phänomen gibt es mehrere. Zum einen hat Sex bindenden Charakter – indem die guten Gefühle sich nicht in der Sekunde vertschüssen, steigt die Chance doch ein bisschen, dass Frau und Mann ein paar Tage später erneut vögeln, um irgendwann zu beschließen, zusammenzubleiben. Aus Sicht der Evolutionsbiologie scheinen die Gründe etwas pragmatischer: Mit dem Afterglow-Effekt steigt die Chance auf Empfängnis. Je nachhaltiger die Lustgefühle, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass das Paar sofort wieder Sex möchte. Das wiederum wirkt sich auf die Spermienkonzentration aus, die nach dem Orgasmus schlechter ist. Am dritten Tag danach geht’s dann eh wieder. Das Nachglühen hat offensichtlich auch positive Auswirkungen auf das Arbeitsleben. Forscher der Oregon State University fanden heraus, dass Menschen, die am Vortag Sex hatten, anderntags motivierter und zufriedener ans Werk gehen. Fazit: Nicht Gehaltserhöhungen machen glücklich, sondern mehr Zeit für Sex.
Ich bin trotzdem für beides.

gabriele.kuhn@kurier.at

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