sex IN DER FREIZEIT: 19 Mal pro Tag

sex IN DER FREIZEIT: 19 Mal pro Tag
Männer denken dauernd an Sex, hieß es. 8000 Mal in 16 wachen Stunden. Eine Form subtiler Dauergeilheit – das hatte seine Reize. Umso enttäuschender das Update aus der Forschung: Sie tun’s gar nicht so oft, wie bisher vermutet.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

isher bin ich wohl mit der falschen These im Kopf durch die Welt gestöckelt: Ich nahm an, Männer denken ununterbrochen an Sex. So die gängige Mär – gestützt durch Expertenmeinung. Mein aktueller Wissensstand, zumindest bis vor Kurzem: 8000 Mal tun sie das – in 16 wachen Stunden.

Ich musste nicht immer, aber sehr oft daran denken. Etwa, wenn ich beim Fleischhauer im Supermarkt in einer langen Schlange gestanden bin, und sich die Blondine vor mir dicke Hüftsteaks schneiden ließ. Oder ich eine grundseriöse Besprechung mit grundseriösen Vorgesetzten hatte, die mir grundseriös erklären mussten, dass es wieder nichts mit meiner Gehaltserhöhung wird. Auch, wenn ich beim Maronibrater eine heiße Tüte orderte oder aber, wenn mir der Zahndoktor meines Vertrauens im Mund herumstocherte.

In all diesen Situationen wäre ich gerne im Gedankengut der genannten Herren herumspaziert und hätte nach sexuell gefärbten Assoziationen gesucht. Hat der höfliche Fleischverkäufer die Blondine mental mitfiletiert und sie sich womöglich für Zehntelsekunden in gebückter Haltung, allenfalls nackt, vorgestellt? Dachten die seriösen Herren für wenige Augenblicke nicht an ihre geliebten Zahlen und stattdessen an einen schnellen, bösen, verbotenen Dreier auf dem Besprechungstisch? Was hatte der dickliche Maroniverkäufer wohl im Sinne, als er mir seine pralle Tüte in die Hand drückte – mit dem auffällig wohlwollenden "Aufpassen, Gnädigste, sehr heiß, sehr heikel"? Und der Meister der Zahnheilkunde! Welche Idee schoss ihm womöglich durch den Kopf, als ich hilflos dalag, mit offenem Mund und ängstlichem Blick? Hm, vielleicht hätte ich manchmal nachhaken müssen, um zu fragen: "Heans, was denken Sie denn jetzt gerade so?" Aber es ist ja bekannt, dass diese Frage bei Männern akute Neurodermitis und Asthmaanfälle auslöst. Also ließ ich es bleiben.

Ich muss zugeben, je nach Feschheitsgrad der Herren, ergaben sich aus diesen Momenten immer wieder animierende Fantasiereisen, in denen schöne Erektionen eine tragende Rolle spielten. Damit ist jetzt allerdings Schluss – ich vermelde das mit einem Anflug von Bedauern. Es ist nämlich nicht so, wie wir bisher dachten. Ja, Männer haben schon Sex im Kopf – aber eben viel weniger, als bisher angenommen. Das untermauert eine aktuelle Studie der Ohio State University, die im „Journal of Sex Research“ veröffentlicht wurde. Ihr enttäuschendes Ergebnis: Die Herren tun es nur 19 Mal pro Tag, oft nur ein Mal pro Stunde. Dazwischen rutschen ihnen allerlei andere Gedanken in die Ganglien. Dauergeil? Nein.

Stattdessen spielt das da eine Rolle: Gedanken ans Schlafen und Essen. Vermutlich muss man sich den männlichen mentalen Erguss jetzt so vorstellen: Wiener Schnitzel, Erdäpfelsalat, Blowjob von einer Russin. Sachertorte, Nackenkissen, Youporn. Wurstsemmel, Gurkerl, Ficken. Blutiges Steak, trägt die Kellnerin einen Slip? – und boah, freu ich mich heute schon aufs Bett. Also ist auch wahrscheinlich, dass all die Herren im Geiste nicht mich vernaschten, sondern eine Burenhaut mit süßem Senf. Um danach, satt und müde, mental ihre Bettdecke zu kosen.

Schade, vorher war’s irgendwie schöner.

gabriele.kuhn(at)kurier.at

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