Peinliches Naschwerk

Sie gelten als frivoler Partygag an runden Geburtstagen oder Polterabenden: Aus Schokoguss und Marzipan geformte Geschlechtsteile, die als lustige Torte daherkommen. Zubeißen oder nicht? Ein klares Nein zur Geschmacklosigkeit mit Kalorien.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Nein, danke.

von Gabriele Kuhn

Über essbare Geschlechtsteile

Das Wort „Phallustorte“ war zuletzt in vieler Munde – im Kontext eines Zivilprozesses nämlich. Das war so: Ein Bäckermeister hatte seinen beiden Mitarbeiterinnen einen Torte in Form eines männlichen Geschlechtsteils überreich – mit dem Satz, „dass sie nun einmal was Gescheites sehen“ würden. Die Torte hatte die Gestalt eines erigierten Penisses. Eine weiße Zuckerglasur symbolisierte den Samenerguss, Schwedenbomben mit Streusel standen für die Hoden. Man klagte wegen sexueller Belästigung. Was sprach der Bäcker zu seiner Verteidigung? Er habe die Phallus-Torte den Mitarbeiterinnen nur gezeigt, damit sie über das Verkaufsprodukt Bescheid wüssten. Das kann man glauben oder auch nicht und wird im Herbst Gegenstand einer weiteren Verhandlung.

Abgesehen davon steht fest: Essbare Geschlechtsteile und allerlei andere erotische inspirierte Esswaren scheinen beliebte Geschenke. Der schlichte Rezeptbogen geht von Marzipan-Doppel-D-Brüsten aus Biskuit über Schoko-Phalli in allen möglichen Dimensionen bis zu detailgetreuen Muschis auf Schokotörtchen. Was bleibt, sind zwei zentral Fragen – erstens: Wie kommt man an die heikle Ware? Zweitens: Wie sinnvoll ist sie überhaupt, heißt: Wer will das? Zu 1 ist folgendes zu sagen: Eher selten bis gar nicht haben Konditoreien neben Esterházyschnitten und Marmeladekrapfen essbare Geschlechtsteile in der Vitrine. Und noch seltener wird eine Damenrunde eine Melange mit Penis-Punschkrapferln bestellen, um zu schauen, wie die so sind. So ein heikler Kundenwunsch sei eher diskret geäußert – wobei mit Fingerspitzengefühl vorzugehen ist. Nicht jeder Bäcker bäckt alles. Mit etwas Pech reagiert das Personal auf die Anfrage nach einer möglichst lebensechten Schokointerpretation des Spatzis vom Geburtstagskind ein wenig gereizt. Etwaige fotografische Vorlagen sollten in so einem Moment rasch wieder verstaut werden, sonst kommt die Polizei. Eine mögliche Alternative wäre da sicher das Internet. Zu erwähnen sei etwa der „Lustbäcker“ (www.lustbaecker.de), wo man seit den 1990ern einschlägiges Naschwerk vom „Big John Marzipan Penis“ bis zum „Dildo Clown“ alles erstehen kann. Wer das Wort „erotische Torten“ googelt, wird aber auch auf die Bäckerei Gierig in Neustadt/Sachsen stoßen. Wobei man sich in der Sekunde fragen muss, was wohl zuerst da war: Der Name oder das Programm? Jedenfalls gibt es dort auch erotisch inspiriertes Backwerk.

Zur Frage Nr. 2 sage ich nur, wie’s für mich ist: Nein, danke. Mit einer Torte in Phallusform hätte ich genauso wenig Freude wie mit gluten- und laktosefreien Muschibonbons oder Kamasutra-Erotik-Nudeln (ja, das gibt’s alles). Das ist a.) kindisch, b.) peinlich und birgt c.) Konfliktpotenzial. Nicht auszudenken, wie die Frau eines männliches Geburtstagskindes reagieren würde, wenn ihr Mann unter Gejohle den Marzipan-Nippel einer Brust von der Torte beißen muss, bevor er sie anschneiden darf. Ich fände auch einen Abend, an dem Erotiknudeln mit Thunfischsugo serviert werden, eher unappetitlich. Und würde mir ein Mann zum Runden tatsächlich seinen Schokopenis zum Naschen überreichen: Das wäre ganz! sicher! sein finaler Auftritt in meinem Leben.

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