St. Pöltner Irrweg: Auf nach Portugal

Paul Scharner
Der SKN vertreibt trotz bester Voraussetzungen den Nachwuchs. Rapid hat zumindest die richtigen Ziele.
Paul Scharner

Paul Scharner

Der SKN vertreibt trotz bester Voraussetzungen den Nachwuchs. Rapid hat zumindest die richtigen Ziele.

von Paul Scharner

über den SKN

Aus meiner Zeit als Nachwuchsspieler des VSE St. Pölten ist mir die letzte Weihnachtsfeier besonders in Erinnerung geblieben: Es war üblich, als Geste ein kleines Geschenk zu bekommen.

Weihnachten 1995 wurden die Geschenke gestrichen. Die dafür vorgesehene TOTO-Jugendförderung landete bei der Kampfmannschaft, um Finanzlöcher bei den Profis zu stopfen.

Ich bin dann zur Austria gewechselt, und St. Pölten ist bald in Konkurs gegangen. Rund 20 Jahre später droht dem Nachfolge-Klub zwar nicht der Finanzkollaps, aber der SKN wirkt auf mich so konzept- und strategielos wie damals VSE.

Zuletzt wurde stolz eine Kooperation mit dem portugiesischen Abstiegskandidaten Aves verkündet. Derzeit werden beim Tabellenletzten zwei Talente aus Portugal getestet. Das ist umso absurder, wenn man die Infrastruktur in St. Pölten kennt. Der SKN hat alles am Gelände: eine starke Akademie, feine Trainingsplätze, und dann gibt es noch die ebenfalls ordentliche Stadtsportanlage.

"Akademiker"-Loch

Allein: Die Akademie wird nicht vom Verein, sondern vom Landesverband betrieben. Deswegen verlassen die größten Talente die Stadt, ohne jemals für den SKN gespielt oder eine Ablöse gebracht zu haben. Immer noch. Das Argument "Die Akademie ist so teuer" kenne ich. Aber zum einen leistet sich die keinesfalls vom Land stärker finanzierte Admira eine Akademie, die den Fortbestand des Vereins sichert. Zum anderen sollte mit den politischen Verbindungen des Hauptstadtklubs eine finanzielle Unterstützung in den Übergangsjahren zu machen sein.

Ich bin mit Ex-Landeshauptmann Erwin Pröll, seiner rechten Hand Andreas Kuntner und Toni Pfeffer zusammengesessen, um (ergebnislos) Visionen für den damaligen Zweitligisten zu diskutieren. Mittlerweile bin ich sicher, dass so ein Politikum wie der SKN im Spitzensport nicht funktionieren kann. Weil es immer Eigeninteressen gibt, die zu groß sind.

Derzeit gibt es die kuriose Situation, dass St. Pölten zwar die Infrastruktur hätte, aber lieber auf Portugiesen baut, anstatt eigene Talente zu entwickeln, während Rapid unbedingt die Infrastruktur verbessern will, aber beim Nachwuchs nicht mit dem Level des neuen Stadions mithalten kann.

Diese Woche war ich in Krems eingeladen, um bei einer Rapid-Klausur mit Sportdirektor Fredy Bickel und allen Nachwuchstrainern über Spielerentwicklung und Karriereplanung zu diskutieren. Bickel hat ein Herz für den Nachwuchs und den Mut zur Wahrheit: Endlich einer, der klar ausspricht, dass sich Österreich nur mit einem Bekenntnis zur Ausbildungsliga weiterentwickeln kann. Er führt mit seinen Schweizer Erfahrungen Rapid wieder auf den richtigen Weg.

Auch wenn es Bickel aufgrund der Historie von Rapid und den Ansprüchen im Umfeld besonders schwer hat. Ich hoffe, die Klubspitze geht diesen Weg auch mit.

paul.scharner@kurier.at

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