Regieren wir künftig selbst?

Daniela Kittner
Direkte Demokratie: Parteien wollen die Bürger über Reichensteuern, Wehrpflicht, Spritpreis, Griechen-Hilfe – und zu viele Politiker befragen.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Rudolf Fußi freut sich wie ein Kind auf Weihnachten. Der linke Polit-Aktivist sammelt gerade Unterschriften zur Einleitung eines Volksbegehrens. Die Sache läuft zäh, denn die Leute haben längst gemerkt, dass Volksbegehren sinnlos sind, weil sich die Politik keinen Deut drum schert.

Doch jetzt könnte Fußi unverhofft ein Geschenk in den Schoß fallen: Die Regierung will erfolgreiche Volksbegehren – etwa ab 630.000 Unterschriften, das sind 10 Prozent der Wahlberechtigten – zu verpflichtenden Volksabstimmungen aufwerten. Da auch die Oppositionsparteien mit von der Partie sind, stehen die Umsetzungschancen hoch. Laut ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner wird im Frühjahr 2013 die direkte Demokratie umgesetzt sein.

Fußi kalkuliert schon: Wenn er die nötigen 8000 Unterstützungserklärungen beisammen hat, wartet er mit der Einreichung seines Volksbegehrens, bis die neue Gesetzeslage gilt. Fußi: "Dann könnte es das Erste nach den neuen Spielregeln sein und mitten in den Wahlkampf fallen." Inhalt des Volksbegehrens: Vermögenssteuern auf EU-Durchschnitt anheben und im selben Ausmaß – 4 bis 5 Milliarden jährlich – Arbeit entlasten. Slogan: "Arbeit muss sich wieder lohnen."

Fußi ist nicht zu unterschätzen. Er zog 2002 ein Volksbegehren gegen Abfangjäger durch, das mehr als 10 Prozent der Wahlberechtigten unterstützten (siehe Grafik) . Hätte damals jene Regel, für die die ÖVP heute eintritt, schon gegolten, hätte Kanzler Wolfgang Schüssel 2002 den Ankauf der Eurofighter einer Volksabstimmung unterziehen müssen.

Vielleicht gelingt’s ja 2013 – und die ÖVP ermöglicht Fußi eine Volksabstimmung über Vermögenssteuern.

Grundsätzlich betonen alle vom KURIER befragten Politiker, dass die aufgewerteten Volksbegehren Instrumente der Bürger sein sollen und keine Mittel für Partei-Kampagnen. Dennoch gibt politik von innen daniela kittner es Wunsch-Themen der einzelnen Parteien.

Grünen-Geschäftsführer Stefan Wallner sagt, wenn die ÖVP ihre Blockade bei der Umsetzung des Bildungsvolksbegehrens nicht aufgibt, sei zu überlegen, ein zweites Bildungsvolksbegehren nachzuschieben – mit der verlockenden Aussicht für die Bürger, über eine Volksabstimmung tatsächlich etwas zu erreichen.

Abstimmungstauglich

Nicht nur die Gesamtschule, auch die Abschaffung der Wehrpflicht ist für Wallner abstimmungstauglich: "Man könnte einen Tag der direkten Demokratie machen, an dem man mehrere Themen abstimmt, bei denen nichts weitergeht."

Der Abgeordnete Stefan Petzner listet auf, welche Fragen das BZÖ den Bürgern vorlegen würde: Wollen Sie ein kleineres Parlament? Wollen Sie die Abschaffung des Bundesrats? Der Landtage? Des Bundespräsidenten?

Auch Euro-Themen würden sich laut Petzner gut eignen, sofern sie so formuliert sind, wie sie der Nationalrat zu entscheiden hat. Petzner: "Der Nationalrat hat für Griechenland 28 Milliarden Haftungen beschlossen. Das BZÖ würde die Bürger fragen: Soll Österreich Griechenland mit 28 Milliarden Haftungen unterstützen?"

Solche Abstimmungen – warum nicht auch über Bankenpakete? – versprechen eine Menge Spaß für eine Regierung, die eine Finanzmarktkrise zu managen hat. Aber der Ruf nach direkter Demokratie ist nicht nur populistisch, sondern auch ein Eingeständnis des Scheiterns der Politik. Petzner: "Die direkte Demokratie ist die Chance, das Volk über heiße Eisen zu befragen, die sich die Politiker nicht anzufassen trauen." Jetzt sollen also die Bürger den Politikern helfen, etwas durchzusetzen – ein kurioser Gedanke, den nicht nur Wallner und Petzner, sondern auch FPÖ-Vizechef Norbert Hofer äußert: "Sollte die FPÖ nach der nächsten Wahl in die Regierung kommen, hätte sie das Problem, dass wichtige Reformvorhaben am Widerstand der Apparate scheitern. Die direkte Demokratie wäre der beste Weg, Reformen durchzusetzen." Hofer glaubt, dass es bei Spitälern und Jugendschutz eine Mehrheit gegen den Föderalismus gebe.

Auch weniger Sperriges hat die FPÖ auf Lager. "Höchst interessant" wäre laut Hofer, die Leute zu fragen, ob sie einen niedrigeren Spritpreis wollen. Man könnte ja die Mineralölsteuer senken – oder, noch besser, gleich fragen, ob die Leute vielleicht generell eine Steuer- und Abgaben-Grenze wollen.

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