Politik von innen: Vom Bundesstaat zum Länder-Bund

Politik von innen: "Jetzt heißt es hopp oder dropp"
Österreichs Regierungssystem gerät aus den Fugen: immer mehr Entscheidungen könnten nur gemeinsam von Bund und Ländern gefällt werden.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Das aktuelle Sparpaket macht es deutlich: Österreichs Regierungssystem gerät immer mehr aus den Fugen. Große, strukturelle Änderungen durchzuführen, erscheint fast unmöglich. Ob Spitäler oder Bezirksgerichte, Förderungen oder Schulbehörden, ob Budget-Transparenz oder Kontrolle der öffentlichen Finanzen: die Bundesregierung einigt sich, – und die Landeshauptleute senken den Daumen. Und somit passiert genau nichts. Der Bund regiert in wesentlichen Fragen nicht mehr.

Damit ähnelt Österreich immer mehr der EU: Die Bundesregierung darf wie die Kommission Vorschläge machen, bleibt aber allzu oft am "Rat" der Landes-Regierungschefs hängen. Indirekt hat Finanzministerin Maria Fekter diese Entwicklung in der Pressestunde am Sonntag eingestanden. Es werde "überlegt", sagte sie, "eine gemischte Kommission aus Bund und Ländern" ins Leben zu rufen. Denn immer mehr Entscheidungen könnten nur gemeinsam von Bund und Ländern gefällt werden. Sollen also die Landeshauptleute künftig an den Tisch der Bundesregierung?

Auch die legistische Umsetzung des Sparpakets ist ein Indiz für Österreichs Entwicklung vom Bundesstaat zum Länder-Bund. Beabsichtigte große Strukturänderungen werden allesamt in sogenannte 15a-Verträge gepackt anstatt in Bundesgesetze mit Zweidrittelmehrheit. Das bedeutet: Nicht der Nationalrat beschließt österreichweite Regeln, deren Einhaltung notfalls der Verfassungsgerichtshof erzwingen kann, sondern der Bund schließt mit den Ländern innerösterreichische "Staatsverträge". Den Unterschied weiß Verfassungsrechtler Heinz Mayer: "Ein 15a-Vertrag ist rechtlich nicht durchsetzbar, weil der Verfassungsgerichtshof nur feststellen kann, dass er nicht eingehalten wurde. Das bleibt aber folgenlos." Die Häufung von 15a-Verträgen ist, so Mayer, "ein Zeichen für die Schwäche des Bundes gegenüber den Ländern".

Der Verlust der Zweidrittelmehrheit von SPÖ und ÖVP im Nationalrat hat den Bund zusätzlich geschwächt. Mayer glaubt aber nicht, dass das entscheidend ist: "Entscheidend ist, dass die Landeshauptleute politisch stärker sind als die Bundeschefs von SPÖ und ÖVP."

In 15a-Verträge soll gepackt werden: die Schuldenbremse, der Stabilitätspakt zur Haushaltssanierung, die Spitalsreform, die Reform der Förderungen – tragende Säulen des Sparpakets also. Mayer: "Das alles könnte man auch bundesgesetzlich mit Zweidrittelmehrheit machen." Und zwar nicht nur rechtlich wirksamer, sondern auch mit viel weniger Aufwand. 15a-Verträge müssen vom Nationalrat und oft auch von den neun Landesparlamenten (= Landtagen) ratifiziert werden. Oder es müssen zumindest die Verpflichtungen daraus von den Landtagen umgesetzt werden. Mayer: "Das ist aufwendig und dauert." Die vielen 15a-Verträge weisen aber auch auf eine gegenläufige Entwicklung hin: Die föderalistischen Auswüchse von neun unterschiedlichen Landesregelungen sind passé. In 15a-Verträgen wird das jeweilige Regelwerk wenigstens österreichweit harmonisiert.

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