Politik von innen: "Jetzt heißt es hopp oder dropp"

Politik von innen: "Jetzt heißt es hopp oder dropp"
Die EU-Spitzenparlamentarier Swoboda und Karas wollen eine neue Architektur der Union und kritisieren das mangelhafte Engagement ihrer Parteichefs.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

EFSF, ESM, Milliarden-Hebel, Bankenpakete, Schuldenschnitt, Ansteckungsgefahr: Die biederen Hinterbänkler-Abgeordneten von SPÖ und ÖVP fühlen sich zunehmend überfordert, diesen Wust an komplizierten EU-Materien am Stammtisch zu erklären oder bei ihren Wählern zu verteidigen. Nicht wenige von ihnen schielen neidisch auf orange-blaue Konkurrenz mit ihren simplen Parolen. "Die haben's viel leichter. Unser Geld für unsere Leut' - das versteht jeder." Wenn sich schon die eigenen Abgeordneten überfordert fühlen, sollte dies ein dramatisches Warnsignal an die rot-schwarzen Parteioberen sein. "Die Regierung kommuniziert und erklärt zu wenig. Da müsste viel mehr getan werden", mahnt der EU-Spitzenmann der SPÖ, Hannes Swoboda. "Die ÖVP muss der unbestrittene Motor der Europapolitik in Österreich sein", fordert der schwarze Delegationsleiter in Brüssel, Othmar Karas. Und fügt an: "Da muss man definitiv nachschärfen."

Politik von innen: "Jetzt heißt es hopp oder dropp"

Tatsächlich: Erklärungen sind von Kanzler und Vizekanzler bisher kaum, Visionen über die Zukunft Europas schon gar nicht zu hören. Die Deutschen drängen auf einen neuen EU-Vertrag mit Durchgriffsrecht auf nationale Budgets. In den Eliten - auch den österreichischen, wie Ex-Nationalbank-Gouverneur Klaus Liebscher - herrscht Konsens, dass die Gemeinschaftswährung durch eine Wirtschafts- und Sozialunion abzusichern ist. Eine solche EU-Wirtschaftsregierung müsse demokratisch legitimiert werden, sagte Liebscher gestern im Journal zu Gast. Dem stimmen Swoboda und Karas zu. Swoboda, der gute Chancen hat, am 17. Jänner zum Chef aller sozialdemokratischen Abgeordneten im EU-Parlament gewählt zu werden, kündigt an: "Die SPE wird schon bei der nächsten EU-Wahl 2014 einen Spitzenkandidaten aufstellen, der dann ihr Kandidat für den Kommissionspräsidenten ist. Dazu brauchen wir keinen neuen EU-Vertrag, das ist fix. Dann kann es nicht mehr passieren, dass mir Faymann ausrichtet, seine Wahl für die Kommission ist der Herr Barroso. Denn dann steht der SPE-Kandidat fest." Karas setzt hingegen auf eine Änderung des EU-Wahlrechts in einem neuen EU-Vertrag. Sein Modell: Eine Direktstimme für den nationalen Abgeordneten und eine Stimme für EU-weite Listen. Karas kann sich darüber hinaus vorstellen, "dass der Kommissionspräsident künftig direkt gewählt wird, wie der Präsident der USA oder Frankreichs." Einig sind sich Swoboda und Karas, dass ein Konvent keine schnelle Lösung für die anstehende Eurokrise ist, weil die Umsetzung eines neuen EU-Vertrags Jahre dauert. Starten soll der Konvent so schnell wie möglich, er dürfte am Dezember-Gipfel eingesetzt werden.

Politik von innen: "Jetzt heißt es hopp oder dropp"

Swoboda meint, in dem Konvent sollten EU-Parlamentarier und nationale Parlamentarier gemeinsam tagen. "Das Gegeneinander von EU-Parlament und nationalen Parlamenten muss aufhören. Das Ziel muss sein, sich gegenseitig zu ergänzen." Swoboda nennt ein Beispiel: Die EU soll Kompetenzen in Detailfragen abgeben, dafür Kompetenzen bei den großen strategischen Fragen bekommen. So soll zum Beispiel die EU künftig Glühbirnen nicht verbieten dürfen. Stattdessen soll sie Energiesparziele vorgeben, und wie diese Ziele erreicht werden, sollen die nationalen Parlamente beschließen. Fest steht für Karas und Swoboda, dass der Status quo nicht zu halten ist. Karas: "Wir stehen vor einer Hopp-oder-dropp-Situation. Entweder es gibt eine Renationalisierung, und es siegt der Populismus. Oder es gibt eine Weiterentwicklung Europas zu einer Wirtschafts- und Sozialunion. Ich bin nicht sicher, in welche Richtung es geht." Dabei könnte den Österreichern die Sinnhaftigkeit des Euro und seiner Rettung bald drastisch klar werden, wenn man, wie SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer, mit der Wahrheit herausrückt: "Nach Frankreich ist Österreichs Triple A in der Eurozone am schlechtesten abgesichert. Verliert Frankreich sein Triple A, steht als nächstes Österreich auf dem Speisezettel der Rating-Agenturen." Dann müssten wir für unsere Schulden empfindlich mehr Zinsen bezahlen.

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