Politik von innen: Faymann nennt Gründe für Volksabstimmung
Wo samma dafür und wo samma dagegen? Oder, in "Polit-Sprech" formuliert: Welche Positionen vertritt Österreich beim EU-Krisengipfel in Brüssel? Darum ging es Freitagfrüh im Hauptausschuss des Nationalrats, wo Kanzler Werner Faymann mit Abgeordneten der fünf Parlamentsparteien debattierte. Gleich vorweg: Zur umstrittenen Aufstockung des Euro-Rettungsschirms EFSF von derzeit 440 Milliarden auf bis zu 2500 Milliarden legte sich Faymann nicht fest. Er erzählte, dass die Hebel-Variante Frankreichs, wonach sich der EFSF bei der Europäischen Zentralbank mit Geld versorgen soll, den EZB-Statuten widersprechen könnte. Bei der deutschen Versicherungsvariante - der ESFS versichert zu 20 % das Risiko für Käufer von Staatsanleihen - äußerte Faymann Zweifel, ob das Mittel wirkt und genügend private Käufer gefunden werden, die 80 % des Risikos tragen. Die laufenden Verhandlungen in Brüssel würden zeigen, was beim EFSF herauskommt. Dies trug Faymann den Vorwurf von Grün, Blau und Orange ein, nur abzuwarten, was Deutschland und Frank reich ausschnapsen, anstatt eine österreichische Meinung zu formulieren. An klaren österreichischen Positionen nannte Faymann: Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer nur in der Eurozone (wo die skeptischen Briten und Schweden nicht dabei sind), um einen Teil der Kosten der Wirtschaftskrise wieder hereinzubekommen. Und: Bei den Banken tritt Österreich für eine Trennung von dem soliden Kreditgeschäft und dem risikoreichen Investment-Geschäft ein. Je nach Geschäftsmodell sollen die Eigenkapitalvorschriften verschärft werden. Deutlich wie nie zuvor ging Faymann auf einen möglichen neuen EU-Vertrag ein. Unter dem Schlagwort "Wirtschaftsregierung" geht es im Kern um ein Durchgriffsrecht der EU auf nationale Budgets. Faymann: "Wenn wir unser Budget nach Brüssel schicken, und Brüssel gibt dazu eine Meinung ab, von der Österreich autonom entscheidet, ob sie in unser Budget eingearbeitet wird oder nicht, braucht man dazu keine Vertragsänderung. Wenn aber Brüssel uns auftragen darf: ,Ihr dürft's das nicht beschließen', wäre das eine wesentliche Änderung unserer Verfassung und würde eine Volksabstimmung erfordern." Diese Aussage Faymanns wird vom Verfassungsdienst des Kanzleramts untermauert und bedeutet: Wenn der österreichische Nationalrat die Budgethoheit verliert, muss es eine Volksabstimmung über den neuen EU-Vertrag, in dem dieses Durchgriffsrecht verankert wäre, geben. Bereits beim Dezember-Gipfel könnte ein Konvent zur Ausarbeitung eines EU-Vertrags eingesetzt werden. Deutschland drängt darauf, um künftig zu verhindern, dass Euroländer Schulden anhäufen, für die die Deutschen dann geradestehen müssen.
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