Politik von innen: Diplomatenpässe "zur freien Entnahme"

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Die Affäre um die Diplomatenpässe wird täglich um Facetten reicher.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Am Mittwoch bestätigte Maria Rauch-Kallat einen Krone-Bericht, wonach ihr Ehemann Alfons Mensdorff-Pouilly einen Diplomatenpass besitze. Ihre Begründung: Sonst müsse ja er in der Schlange stehen, während sie bei der Passkontrolle die Überholspur benutzen könne. Rauch-Kallat ist seit Jänner 2007 nicht mehr Ministerin. Am Mittwoch sagte sie im ORF-Radio, das Außenamt habe ihren Diplomatenpass nie zurückverlangt.

Das Außenamt hingegen übermittelte dem KURIER einen Brief, der beweisen soll, dass es ausscheidende Minister routinemäßig zur Rückgabe des Diplomatenpasses auffordere. Nur würden die Minister a. D. neuerlich Diplomatenpässe beantragen, die ihnen dann gewährt würden. "Es stimmt nicht, dass wir etwa Josef Pröll nach seinem Ausscheiden aus dem Amt einen Diplomatenpass aufgedrängt haben. Er hat ihn selbst beantragt und im Amt abgeholt", sagt Alexander Schallenberg, ein Sprecher von Außenminister Michael Spindelegger.

Dieser Darstellung widersprechen Rauch-Kallat, Pröll und weiterer Ex-Minister, der nicht genannt werden will: "Ich habe nie einen solchen Brief bekommen. Ich habe von mir aus den Pass zurück geschickt, und das Außenamt hat ihn mir retouniert – sogar verlängert." Ein hoher Ex-Beamter des Außenamts kontaktierte den KURIER und erzählte aus der Praxis, als er noch im Dienst war: "Es ist nie ein Minister aufgefordert worden, seinen Pass abzugeben." Im Lauf der Jahre sei die Vergabe von Diplomatenpässen immer mehr ausgeufert. So hätten unter anderem Professoren, Höchstrichter, Präsidenten vieler Art bis hin zu Bundesratspräsidenten, auch wenn sie nur sechs Monate im Amt waren, einen solchen Pass bekommen. "Wer sich da aller angestellt und interveniert hat – das war jedes Mal ein Schlachtfeld", erzählt der Botschafter in Ruhe. In der zuständigen Abteilung sei gewitzelt worden: "Am besten, wir hinterlegen die Pässe beim Portier zur freien Entnahme."

Dass der Botschafter i. R. seine Erlebnisse publik macht, hat einen Grund: Alle Botschafter sind bis zum Lebensende Besitzer von Diplomatenpässen. Durch die ausufernde Vergabepraxis komme das gesamte System in Verruf, und es bestehe die Möglichkeit, dass in Zukunft allen der leuchtend rote Pass abgenommen wird. Auch den Botschaftern in Ruhe. Allerdings, so meint der Botschafter selbstironisch: "Man wird das überleben. In Deutschland hat man den Botschaftern den Diplomatenpass nach dem Ausscheiden aus dem Dienst auch weggenommen. Heutzutage nützt er ja kaum noch etwas. Er ist hauptsächlich ein Prestigeobjekt."

Außenminister Spindelegger plant, die Vergabe von Diplomatenpässen künftig restriktiver zu handhaben. In welche Richtung die neue Regel gehen könnte, skizzierte Kanzler Werner Faymann am Mittwoch: Man solle sich anschauen, wer nach dem Ausscheiden aus dem Amt noch im Dienst der Republik unterwegs sei.

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