Politik und Ärzte weiter im Clinch / Bartenstein hört auf
Die Stimmung zwischen Politik und Ärztekammer ist mehr als gereizt
Der Schaukampf zwischen Ärztekammer und Politik geht munter weiter. Am Dienstag steht die elektronische Gesundheitsakte ELGA auf der Tagesordnung des Nationalrats. Bis zur letzten Sekunde mobilisierte die Wiener Ärztekammer in einem offenen Brief an alle Abgeordneten gegen ELGA – obwohl es 27 (!) Besprechungen des Ministeriums, vielfach unter Anwesenheit des Ministers, mit der Ärztekammer zu ELGA gab; und obwohl die Ärzte sich eine „Anschubfinanzierung“ des Steuerzahlers für die Einführung von ELGA heraus geschlagen haben.
Die Stimmung zwischen Politik und Ärztekammer ist mehr als gereizt. Wie der KURIER berichtete, mobilisieren die Ärzte die Patienten gegen die geplante Gesundheitsreform – mit Angstmache, wonach Spitäler und Praxen eingespart würden („Unser Spital ist weg.“ „Mein Arzt ist weg.“) Gesundheitsminister Alois Stöger hat den Präsidenten der Ärztekammer, Artur Wechselberger , bei einer Sitzung des Obersten Sanitätsrats am Samstag persönlich gerüffelt. Das Verhalten der Ärzte sei „nicht die feine Art“, sagte der Minister vor Zeugen.
Die Wiener Gesundheitslandesrätin Sonja Wehsely und der Chef der Sozialversicherungen, Hans Jörg Schelling , warfen den Ärzten öffentlich vor, die Autorität des „weißen Mantels“ zu missbrauchen, um den Leuten Schrecken einzujagen. Niederösterreichs Gesundheitslandesrat Wolfgang Sobotka war derart empört, dass er eine Abschaffung der Ärztekammer anregte.
Die Reaktion der Ärztekammer am Montag klang verhalten – offenbar hatte man nicht mit derart geschlossener Gegenwehr der Politik gerechnet. Die „Nervosität der Politiker“ bestätige, dass die „Sparreform“ negative Auswirkungen auf das Gesundheitswesen habe werde, meinte Wechselberger. Und: Die Aussagen Sobotkas, den Ärzten den „Mund zu verbieten“, sei „bedenklich“.
Nun ist es fix: Martin Bartenstein, langjähriger Minister und nunmehriger Infrastruktursprecher der ÖVP im Parlament, kehrt der Politik den Rücken. „Ich werde bei der Nationalratswahl 2013 nicht mehr kandidieren. Meiner Heimatpartei, der ÖVP-Steiermark, habe ich das gestern mitgeteilt“, sagt Bartenstein dem KURIER.
Grund für den Rückzug: Gemeinsam mit seiner Frau Ilse ist Bartenstein Geschäftsführer der Lannacher Holding, die mittlerweile fünf Firmenbeteiligungen hält. Bartenstein: „Das geht sich zeitlich nicht mehr aus. Das Abgeordneten-Mandat ist ein Fulltime-Job.“ Mehr als zwanzig Jahre lang habe bei der Entscheidung, ob er „ein unternehmerischer Politiker“ oder „ein politischer Unternehmer“ sei, immer die Politik gewonnen. Nun sei die Entscheidung zugunsten des Unternehmers gefallen.
Bartenstein wurde 1994 Staatssekretär, von 1995 bis 2008 war er Minister für Umwelt, Familie und Wirtschaft. Bartenstein war eine Säule der schwarz-blauen Regierung.
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