ÖVP-Abgeordnete wollten Mandate zurück legen

Daniela Kittner
Man muss es einfach einräumen: Die Grünen retteten mit zwei kapitalen Rückziehern in 36 Stunden das Ansehen des Parlaments.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Denn was sich gestern bis 17 Uhr abends im Parlament abgespielt hatte, war selbst für langjährige Beobachter ein Tiefpunkt. Keine Spur von Abgeordneten-Pflichten, die Regierung zu kontrollieren – die gesamte Aufklärungsarbeit des Untersuchungsausschusses wurde nur mehr einem unterworfen: der Parteipolitik. Wer kann wem besser ein Haxl stellen? Wie kann man dem anderen im beginnenden Wahlkampf am meisten schaden und sich selbst schadlos halten?

Am schlimmsten ging es wieder einmal zwischen SPÖ und ÖVP zu.

Der SPÖ-Klub verstand sich nur mehr als Schutzmacht für seinen Parteivorsitzenden. Abgesehen von chronischen Abweichlern wie Sonja Ablinger ist dort niemand der Ansicht, dass der frühere Verkehrsminister Werner Faymann dem U-Ausschuss seine umstrittene Inseratenvergabe erklären solle. Im Gegenteil. Im nicht-öffentlichen Teil der SPÖ-Klubklausur am Dienstag hatten sich etwa zehn rote Abgeordnete zu Wort gemeldet: Bevor der Kanzler im Ausschuss "zerzaust" wird, gehe man lieber wählen. Die SPÖler warfen ÖVP-Justizministerin Beatrix Karl vor, eine Weisung eines Sektionschefs im Justizministerium an die Staatsanwaltschaft veranlasst zu haben, wonach die Ermittlungen gegen Faymann in der Inseraten-Affäre nicht einzustellen, sondern sogar auszuweiten seien: "Das ist eine politische Weisung einer Ministerin gegen den Regierungschef in aufrechter Koalition", wetterte die SPÖ.

Die Neuwahl-Gelüste der SPÖ-Mandatare wurden prompt an daniela.kittner@kurier.at

die ÖVP weitergemeldet und verfehlten dort ihre Wirkung nicht. In einer eilig einberufenen Sondersitzung des ÖVP-Klubs am Mittwoch in aller Früh setzte sich die Meinung durch: Besser gemeinsam mit der SPÖ den Ausschuss abdrehen, als die Regierung riskieren.

Auch da steckte Parteipolitik dahinter: Die ÖVP befürchtete, dass in den Nachlieferungen von Akten zur Telekom-Affäre weitere Zahlungen an sie auftauchen könnten. Genau das nutzte die SPÖ, um die ÖVP unter Druck zu setzen: "Zerzaust die ÖVP unseren Kanzler, werden wir schon noch etwas finden, mit dem wir zurückschlagen können", hieß es in der SPÖ.

Weil aber Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Michael Spindelegger nach der Wahl weitere fünf Jahre regieren und sich ihr Verhältnis zueinander nicht zertrümmern lassen wollen, hatten sie die Abrüstung beschlossen: Der Ausschuss sollte abgedreht werden. Das Begräbnis war für kommenden Montag in einer eigens einberufenen Sondersitzung geplant.

So viel zur parteipolitischen Logik. Selbst-Erniedrigung des Parlaments? Demokratiepolitische Hygiene? Der Regierung egal. Nicht aber manchen ÖVP-Abgeordneten. Einige von ihnen befiel ein derart schlechtes Gewissen, dass sie überlegten, aus Selbstachtung ihre Mandate zurück zu legen. Nach dem Zugeständnis der Grünen gestern Abend, auf weitere Aktenlieferungen zu verzichten und damit den Weg für den sauberen Abschluss des U-Ausschusses frei zu machen, war die Erleichterung in der ÖVP riesig. "Ein Abdrehen des Ausschusses wäre für einen anständigen Parlamentarier unerträglich gewesen", sagt ÖVP-Mandatar Michael Ikrath .

Der Grüne Peter Pilz ätzte über die "Dummheit" der SPÖ: "Sie hat erreicht, dass die ÖVP keine Akten mehr fürchten muss, und dass das maximale Scheinwerferlicht auf Faymanns Inseratenaffäre gerichtet ist."

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