Österreich-Politik im komplexen EU-Dickicht

Daniela Kittner
Vor vier Jahren noch betätigte sich der Kanzler als einschlägiger EU-Leserbriefschreiber an die Krone, heute vertritt er europäische Vorreiter-Positionen wie die Vergemeinschaftung von Staatsschulden, was so gar nicht populistisch ist.
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Was bewirkte diese wundersame Wandlung? Werner Faymann dürfte erkannt haben, dass ein Regierungschef einer kleinen, exportorientierten Volkswirtschaft dann der beste Patriot ist, wenn er eben keine nationalistische Kirchturmpolitik betreibt. In seinen Worten klingt das so: "Österreich profitiert bei den Zinsen für die Staatsschulden vom Elend anderer EU-Staaten, die aber gleichzeitig wichtige Exportmärkte sind. Also ist es für unsere Arbeitsplätze wichtig, diesen Ländern auf die Beine zu helfen, damit sie nicht von der Zinslast erdrückt werden."

Faymann vertritt diese Österreich-Positionen, die, wie er betont, eng mit Vizekanzler Michael Spindelegger abgestimmt sind, konsequent. So beschied er am Dienstag in Paris dem französischen Regierungschef Jean-Marc Ayrault , als dieser auf eine Vertiefung der Politik lediglich im Euro-Raum abzielte: Österreich würde da nicht mitspielen. "Nicht ohne unsere (süd-) östlichen Nachbarn", lautet Faymanns Leitlinie. Dort lägen österreichische Wirtschaftsinteressen und Österreich würde keine Politik mittragen, die diese Länder außen vor lasse, nur weil sie (noch) keinen Euro haben.

Nach vier Jahren im EU-Rat der Regierungschefs hat Faymann auch Erfahrung sammeln können, sich zwischen den Welten zu bewegen: zwischen den staatsinterventionistischen Franzosen und den deutschen Sparmeistern; und als Sozialdemokrat zwischen einer Übermacht an konservativen Regierungschefs. Angela Merkel ist eine begnadete Netzwerkerin, sie telefoniert – stets zum richtigen Zeitpunkt – quer durch Europa. Sie verübelt, wenn jemand hinterrücks die Seiten wechselt. Doch Faymann liefert, was die Kanzlerin will: Klare Haltungen. Dann akzeptiert sie abweichende Positionen.

Auf dieser Basis nimmt Merkel Faymann dessen Techtelmechtel mit den Franzosen nicht übel. Denn diese müssen, erst vor Kurzem in die Regierung gewählt, ihr EU-Netzwerk erst ausbauen. Künftig wird nicht nur Berlin, sondern auch Paris öfter am Ballhausplatz in Wien anrufen. Und vielleicht auch öfter Rom. Vom wirtschaftsorientierten Pragmatismus des italienischen Premiers ist Faymann besonders angetan. Am 24. Oktober fliegt der Kanzler zu Mario Monti.

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