Die SPÖ-Wien verliert ihre Sonderstellung

Daniela Kittner
Daniela Kittner über die SPÖ Wien, die lange tonangebend in Österreich war - und diesen Status langsam verliert.
Daniela Kittner

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Nein, ihre großartige Geschichte kann dieser Partei niemand wegnehmen. Faktum ist auch, dass die SPÖ Wien konstant so zufrieden stellend regiert, dass sie niemals abgewählt wurde. Aus diesen Gründen – und natürlich auch wegen ihrer Größe – genießt die SPÖ-Wien in der österreichischen Sozialdemokratie einen Sonderstatus. Sie hat Gewicht, und sie war lange Zeit als Motor des Fortschritts inhaltlich tonangebend.

Ihrer Sonderstellung geht die Wiener SPÖ jedoch langsam verlustig. Dieser Prozess setzte schon vor einiger Zeit ein. Der augenfällige erste Akt war die Vermögenssteuer-Debatte. Es war der Steirer Franz Voves, der in und außerhalb der Partei eine überfällige Verteilungsdiskussion in Gang setzte. Im Gegensatz zu manchem Wiener Roten fürchtete sich Voves nicht vor reichen Boulevardzeitungseigentümern und deren eigennützigem publizistischen Gegenschlag. Voves artikulierte die Stimmung in der SPÖ. Der Beleg dafür: Sowohl der vergangene wie auch der kommende Bundesparteitag im Oktober beschäftigen sich mit dem von Voves angestoßenen Thema: Arbeitseinkommen versus arbeitsloses Einkommen aus Vermögen.

Auch als Reformpartei stellen die steirischen Sozialdemokraten die Wiener in den Schatten: In Graz werden Verwaltungsreformen umgesetzt, im Wiener Rathaus frönt man einer Frühpensionitis, wie sie nicht einmal mehr bei den ÖBB praktiziert wird. Wien erscheint inzwischen starrer als die Eisenbahner-Gewerkschaft.

Während den Steirern das Wunder gelingt, eine fade, althergebrachte rot-schwarze Koalition in ein bewundertes Reform-Modell zu verwandeln, vollbringen die Wiener das gegenteilige Kunststück: die erste rot-grüne Koalition der Geschichte sollte ein richtungsweisendes Fortschrittsmodell werden. Stattdessen macht Rot-Grün die Bundeshauptstadt  wegen eines läppischen Parkpickerls in einigen Wiener Bezirksteilen zum Gespött in ganz Österreich.

Wegen mäßiger Erfolge bei Bundeswahlen relativiert sich auch das Gewicht der SPÖ-Wien in der Gesamtpartei. Beispiel Nationalratswahl 2008: Da trug die oft belächelte SPÖ-Niederösterreich mit 314.978 Stimmen mehr zu den bundesweit 1.430.206 SPÖ-Stimmen bei als die SPÖ-Wien (292.317 Stimmen). Selbst wenn man in Rechnung stellt, dass Niederösterreich 19,9 % der bundesweit Wahlberechtigten stellt und Wien nur 18,3 %, ist der Beitrag der SPÖ-Niederösterreich gleichwertig mit dem der SPÖ-Wien: Die SPÖ-NÖ steuerte 22 % der SP-Stimmen bei, die SPÖ-Wien 20,4 %. In Wien ist bei Bundeswahlen ein viel größeres rotes Potenzial vorhanden, als es die Wiener SPÖ auszuschöpfen vermochte. Doch die derzeitige Stadtführung um Michael Häupl will erst nach der Nationalratswahl 2013 für eine personelle Erneuerung sorgen. Damit muss die Bundes-SPÖ mit einer ramponierten Wiener Landesgruppe in die Nationalratswahl 2013 gehen.

Als Favorit für den künftigen Wiener Bürgermeister gilt der erfahrene und leutselige Sozialminister Rudolf Hundstorfer, mit dem jungen Andreas Schieder an seiner Seite als Chef für die Finanzen und die Wirtschaft in der Bundeshauptstadt.

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