Die Regierung ist besser als ihr Ruf

Daniela Kittner
Zeugnisverteilung: Sieht man sich die Leistungen der Koalition im Sommersemester an, drängt sich der Schluss auf: Die Regierung ist besser als ihr Ruf.
Daniela Kittner

Daniela Kittner

Am kommenden Wochenende beginnt die Zeugnisverteilung, im Osten des Landes ist Schulschluss, der Westen und Süden folgen eine Woche später. Mittendrin, vom 4. bis 6. Juli, wird der Nationalrat seine letzte Plenarsitzung vor der Sommerpause abhalten. Sieht man sich die Leistungen der Koalition im Sommersemester an, drängt sich der Schluss auf: Die Regierung ist besser als ihr Ruf.

Das Jahr begann mit der Budgetsanierung. Es wurde ein Sparpaket geschnürt, das bis 2016 das Defizit des Landes auf null drücken soll. Dazu wurden rund 100 Gesetze geändert, rund 60 weitere sind noch in Arbeit. Während andere Länder durch den Rotstift in die Rezession rutschen, gelang der heimischen Regierung das Kunststück, die Konjunktur durch ihr Sparpaket nicht abzuwürgen. Durch den Verzicht auf Massensteuer-Erhöhungen und die Besteuerung von Immobilien-Verkäufen wurde die Inlandsnachfrage nicht gedämpft. Eine lediglich dosierte Belastung von Unternehmen beschädigte den Standort Österreich nicht. Strukturreformen wurden mit der Abschaffung der Eisenbahner-Frühpension und der Anhebung des faktischen Pensionsalters begonnen. Die Maßnahmen scheinen zu greifen: Die Ausgaben für die Pensionen, so die jüngsten Zahlen aus dem Sozialministerium, dürften heuer um 350 Millionen unter dem Plansoll liegen. "Das ergibt die Hochschätzung auf Basis der Abrechnung des ersten Quartals 2012", sagt Sozialminister Rudolf Hundstorfer dem KURIER.

Der Regierung gelang es weiters, auch die Länder auf den Sparkurs festzulegen.

Riesen-Brocken Sauberkeitspaket

Die Regierung ist besser als ihr Ruf

Der nächste Riesen-Brocken wird in der kommenden Woche vom Parlament verabschiedet: das große Sauberkeitspaket. Mit gläsernen Parteikassen, substanziell verschärften Anti-Korruptionsbestimmungen und neuen Unvereinbarkeitsregeln für Politiker begegnet die Regierung den Missständen, die im Untersuchungsausschuss aufgearbeitet werden. Auch die Einrichtung dieses U-Ausschusses können SPÖ und ÖVP positiv verbuchen.

Weitere Großprojekte, die die rot-schwarze Koalition in diesem Halbjahr unter Dach und Fach brachte: eine neue Verwaltungsgerichtsbarkeit, ein Bundesamt für Asylwesen, die Zusammenlegung von Sicherheitsbehörden, die flächendeckende Einführung der Neuen Mittelschule und der Durchbruch bei der Gesundheitsreform (Gesetz folgt im Herbst).

Die drängendsten Probleme harren im Schulbereich einer Lösung, die Lehrer-Gewerkschaft blockiert wie eh und je.

Die Österreicher honorieren die Arbeit der Regierung. Vor einigen Monaten, in den Zeiten des Stillstands und der aufbrechenden Skandale, waren SPÖ und ÖVP gemeinsam in den Umfragen auf die 50-Prozent-Marke abgeglitten. Es schien nicht einmal mehr sicher, ob die einst große Koalition noch eine Regierungsmehrheit zustande bringen würde. Nun hat das Regierungslager wieder den Stand der letzten Nationalratswahl erreicht.

Drittes Lager

Das dritte Lager ist in Summe nicht gewachsen, es haben sich lediglich intern die Gewichte vom BZÖ zur FPÖ verschoben.

Der grüne Anteil steigt, wobei nicht sicher ist, ob die Grünen ihre guten Umfragewerte bei der Wahl umsetzen können.

Politische Strategen erklären sich die steigenden Umfragewerte für die Regierung nicht nur durch deren herzeigbare Arbeitsbilanz. Man glaubt, Indizien zu haben, dass das Akutwerden der Eurokrise, die Sorge ums Geld, viele Leute zurück in den sicheren Hafen der Traditionsparteien treibt. Es gibt einen messbaren Rückfluss von der FPÖ zur SPÖ, der schon vor der Affäre Graf einsetzte. Eine oft gehörte These lautet: Viele Leute honorieren, dass Kanzler Werner Faymann die EU-Themen offensiv anpackt, Linie hält und sich abmüht, die komplizierten Materien zu erklären. Erstmals würde der SPÖ-Chef dadurch Leadership aufbauen und Vertrauen gewinnen.

Die ÖVP liegt unter ihrem Wahlergebnis von 2008, aber auch Michael Spindelegger wird Positives nachgesagt: Dass die von Affären und Altlasten heimgesuchte ÖVP nicht völlig abgestürzt sei, habe sie auch der persönlichen Integrität ihre Parteichefs zu verdanken. In der ÖVP gilt es als ausgemachte Sache, dass sie mit Spindelegger als Spitzenkandidat in die Nationalratswahl 2013 geht. Im Wintersemester klang das ÖVP-intern noch anders.

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