Weiße Weihnachten

Weiße Weihnachten
Winterzauber. Wenn ihre Sehnsucht nach Schnee auf sein traditionelles Aber trifft
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Für ihn bin ich eine sozialromantische Schneegans, die zu viele amerikanische Weihnachtsfilme gesehen hat.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

"Das Wesen der Romantik ist die Ungewissheit", schrieb Oscar Wilde. Und so stehe ich ab Anfang Dezember jeden Morgen hoffnungsvoll auf und schaue aus dem Fenster, ob es nachts geschneit hat. Schnee ist für mich der Inbegriff des ungewissen Zaubers, der den speziellen Reiz der Weihnachtszeit ausmacht. Wenn’s schneit, freue ich mich. Das hat, zugegeben, mitunter infantile Züge. Aber es ist bekanntlich niemals zu spät, seine Kindheit nachzuholen.

Die Schneegans in mir

Anders der Mann nebenan. Der quittiert mein – aus seiner Sicht – seltsames Gespür für Schnee mit völligem Unverständnis. Für ihn bin ich eine sozialromantische Schneegans, die zu viele amerikanische Weihnachtsfilme gesehen hat, in denen es unnatürlich große Kunstflocken in die Kulisse schneit. Und in denen einander Frauen und Männer mit roten Nasen ewige Liebe versichern, um sich dann fröhlich mit Wattebällchen zu bewerfen. Sein Standardsatz zu diesem Thema könnte kaum nüchterner formuliert sein – er lautet so: "Geh Schatzi, wer braucht den Dreck in der Stadt? Schnee ist nur auf der Piste schön." Diese, seine, Theorie garniert er mit ein paar elastischen Bewegungen von Knie und Hüfte. Sie sollen mich daran erinnern, dass ich mit einem sogenannten Pistengott verheiratet bin. Wofür ich seiner Meinung nach täglich dankbar sein müsste – die Gnade mit einem selbst ernannten Homo carviensis verheiratet zu sein, widerfährt schließlich nicht jedem. Ich darf dann ein bisserl an seinen 15 Jahren alten Skisocken und der Skiunterwäsche riechen und muss dabei so tun, als würde mich das sehr glücklich machen. Von wegen. Die Schneesöckchen-Weißröckchen-Therapie hilft nur seinem Ego. Ich hingegen singe täglich: Let it snow. Let it snow. Let! it! snow!

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Er

Alle Jahre wieder das gleiche Theater. Ab gefühlt Ende September melden sich die Meteorologen im Wochentakt zu Wort, um die Großwetterlage hinsichtlich einer einzigen Frage zu analysieren: Wird es heuer weiße Weihnachten geben? Im Dezember wird dann die Vorhersagendichtung auf Stundenrhythmus umgestellt und um allerlei prozentuelle Wahrscheinlichkeiten aufgefettet. Als wäre ein Heiliger Abend in wattiger Schneeatmosphäre der Garant für den Weltfrieden. Nun sitzt die Liebste schon grundsätzlich bei jeder sich bietenden Wetterprognose mit roten Backen vor TV und Radio, die Causa "Weiße Weihnachten" ist jedoch ganz sicher ihr Tüpfelchen auf dem i der Wissbegier. Meinen routinemäßigen Verweis auf den Autor Max Goldt fuchtelt sie geradezu störrisch weg. Der schrieb nämlich: "Wer wissen will, wie das Wetter ist, möge aus dem Fenster sehen. Wer wissen will, wie morgen das Wetter ist, möge morgen aus dem Fenster sehen."

Her mit den Flocken!

Gnä Kuhn drückt sich diesbezüglich zur Winterszeit an den Fensterscheiben die Nase platt, in der Annahme, sie könnte die erlösenden Flocken herbeisehnen. Und so ich es wage, zartes Unverständnis zu äußern, sagt sie die immer gleichen Sätze von "Du verstehst das nicht" über "Das ist romantisch" bis "Lass mich!" Tu’ ich eh. Aber dass in unseren städtischen Gefilden umgerechnet auf jede Minute des weißen Zaubers eine Stunde des braunen Drecks folgt, darf als traditioneller Einwand eben auch sein. Dann jedoch kommt sie mit einem "Denk doch auch einmal an die Kinder, an Schneebälle, Schneemänner und Rodelwiesen." Das ist ihre emotionale Exit-Strategie. Und so entwischt sie mir immer. Frohes Fest!

Unsere nächsten Paaradox-Auftritte: 13. 12. in Mödling (Stadtgalerie), 15. 12. im Wiener Rabenhof, 31. 12. in Klosterneuburg (Babenbergerhalle, Silvester-Special).

michael.hufnagl@kurier.at

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