Der Masterplan
Die Botschaft erreichte mich am Arbeitsplatz – da verliert man besser nicht die Contenance.
Sie
Dass die Fußball-EM mit der wichtigsten Zeit des Jahres kollidiert, muss ich noch verdauen. Wobei Sie jetzt sicher wissen wollen, was ich als „wichtigste Zeit des Jahres“ definiere. Nein, sie ist nicht deshalb wichtig, weil sie just rund um unseren Hochzeitstag fällt. Mir ginge es eher darum, dass der Mann nebenan rasch zur Hand wäre, wenn ich ihn brauche. Weil ich nämlich im Juni sehr gerne in diverse Gärtnereien und Einrichtungshäuser einfalle, um den Garten final sommerfit zu machen. Da braucht es den Archetyp des Familien-Sherpas, als den sich Herr Hufnagl gerne weinerlich bezeichnet. Aber gut, werden wir das heuer also in den Mai verlegen – das jedoch, versprochen, umso ausufernder. Motto: „Hufi, wir wissen, wo dein Spaten steht!“
Heftige Vorspielphase
Zumal sich die Sache mit der EM bei uns daheim bereits heftigst in der Vorspielphase befindet. Sagen wir so: Monsieur nebenan ist – seit er zwei Österreich – Island-Karten für Paris besitzt – fast ausschließlich damit beschäftigt, den Trip en gros und en detail zu organisieren. Dabei entwickelt er einen Ehrgeiz, den ich in den 18 gemeinsamen Jahren so noch nie an ihm bemerkt hätte. Fiebernd sitzt er über spielentscheidende Fragen wie Hotel oder Airbnb? Flug oder Bahn? Fanschal oder Leiberl? Und das in beängstigendem Tempo. So produktiv war er noch nie. Dazu stellt er, der nicht Französisch spricht, auf Zettelchen wichtiges Vokabular zusammen – etwa: Wo geht’s hier zum Stadion? Oder einen Sieger-Sager: Glasklar, dass wir gegen Island gewinnen. Und – zum Protzen und je nach Gegenüber (une belle Mademoiselle, peut-être?) das da: Ich bin überzeugt, Madame: Österreich kommt ins Halbfinale. Wie auch immer: Die Zeit bis dorthin wird mühsamer als die Zeit selbst. Da ist er ja einfach nur weg.
Er
Ich plane also, mich für drei volle Juni-Tage aus dem Alltag auszuklinken. Und dabei erkenne ich rasch, was für eine enorme Lücke ich wegen meines kleinen Paris-Trips in den ehelichen Prozess reiße. Und zwar nicht, weil in mir ein diesbezügliches Problembewusstsein entsteht, sondern vielmehr, weil ein solches Problembewusstsein erschaffen wird. Von einer sehr schwer definierbaren, nahezu unsichtbaren, aber doch mächtigen Kraft – die ich der Einfachheit halber spontan gnä Kuhn nenne. Natürlich gönnt mir die Liebste den Ausflug in die Stadt der Wuchtel von Herzen, und Randbemerkungen wie Wozu brauchst du ein romantisches Zimmerl mit Blick über die Stadt, wenn du eh im Stadion hockst? sind in Wahrheit nur liebevolle Zeichen weiblicher Anteilnahme. Wie auch der Gedanke, ob es nicht der 11-stündige Zwei-Stopp-Flug via Berlin und Zürich für einen simplen Fußball-Vagabunden auch tun würde, da dieser absurderweise halb so teuer sei.
Zwischenruf
Die wirklich große Herausforderung für die Hohepriesterin der Subtilität sind aber die meist nur en passant erwähnten Hinweise auf eine bitte schön zeitgerechte Organisation der Zukunft ohne mich. Da kann – wenn man kein ausgefuchster Beziehungsroutinier wie ich ist – schon einmal der Eindruck entstehen, dass in den drei Wochentagen meiner Absenz ein Chaos in der Größenordnung von Und wer geht dann mit dem Hund? droht. Es gilt daher, diesem Zwischenruf einer besorgten Ehebürgerin jetzt schon mit einer ganz präzisen Gassigeh-Agenda vorzubeugen. Nicht ohne sich gleichzeitig zu denken: „Und wehe, die putzen die Isländer nicht ...“
Unsere nächsten Paaradox-Auftritte in Wien: 13. 3., 3. 4. und 25. 4. (jeweils 20 Uhr). Karten unter rabenhoftheater.com
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