Das Gespräch am Morgen ...

Das Gespräch am Morgen ...
... vertreibt Kummer und Sorgen.Es könnte aber mitunter auch zum Anlass derselben werden.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Gell, dir ist in Wirklichkeit total blunz’n, wie ich geschlafen habe?!

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe.

Sie

Jeden Morgen sagt der Mann nebenan: Hast du gut geschlafen? Jetzt habe ich mir ausgerechnet, wie oft ich das schon gehört habe. 19 gemeinsame Jahre machen 228 gemeinsame Monate, was durchschnittlich knapp 6900 Paar-Nächte ergibt. Zieht man allfälliges Getrennt-sein ab, bleiben zirka 6850 Morgen, an denen er diesen Stehsatz fröhlich formulieren konnte. Meine Verdacht: Nicht er sagt das, sondern etwas lässt ihn sprechen. Zumal er kaum an einer umfassenden Antwort von mir interessiert ist. Vermutlich hat er einen eingebauten Blabla-Generator, der auch so Sachen sagt wie: Nein, du bist nicht dick oder Das Kleid passt dir toll, obwohl er mich gar nicht angeschaut hat. Floskeln also, um sich nicht näher mit etwas befassen zu müssen, bzw., um irgendwas zu sagen, damit ich nicht sage, er sagt nix.

Schweigen ist Gold

Wobei das ja häufig sein Favorit wäre: nix sagen. Darum antworte ich auf seine Pseudo-Frage, ob ich gut geschlafen hätte, justament oft extra kompliziert, etwa so: Hm, tiefer gehend betrachtet nicht. Gegen 3.30 bin ich aufgewacht und habe dich schnarchen hören, dabei ist mir eingefallen, dass morgen Neumond ist. Ich schaue ihn dann an und merke, wie er beim Wort Neumond zusammenzuckt, weil er astrologische Ausführungen zutiefst verabscheut. Aber ich bleibe dran und bitte ihn mit sorgenvoller Miene: „Kannst du schnell googeln, ob morgen Neumond ist? Oder Vollmond? Dann seufzt er und sagt: Geh Schatzi, muss das sein? Ha. Der ideale Moment für einen Treffer im alltäglichen Liebes-Spiel „Durchschaut!“ : Gell, dir ist in Wirklichkeit total blunz’n, wie ich geschlafen habe?! Da ist er beleidigt, aber nur kurz. Denn wenig später säuselt sein Blabla-Generator so kleinlaut wie lieb: Aber sagen, dass du schön ausschaust, wenn du schläfst, darf ich schon?

gabriele.kuhn@kurier.at

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Er

Das ist das Problem an der Tiefgründigkeit. Meiner Frau kann sie a) gar nicht oft genug Teil unserer Kommunikation und b) niemals tiefgründig genug sein. Daher legt sie auch nahezu jedes gesprochene Wort auf die Waagschale. Das ist beim gemeinsamen Waldspaziergang durchaus zulässig, weshalb ich dort auch stets Dialogbereitschaft signalisiere. Denn irgendwann müssen wir ja die aktuelle Seelenlage beleuchten und uns Fragen stellen wie „Wenn du ganz genau in dich hineinspürst, was macht das mit dir?“ Ein wenig unrund werde ich nur, sobald ich das Gefühl habe, dass auch Bemerkungen wie „Ich bring’ schnell den Mist raus“ Anlass zum Hineinspüren werden, weil nämlich in ihrer Welt nix ohne Grund gesagt wird, und es im Leben nur so wimmelt vor verschlüsselten Botschaften. Und sei es nur eine kurze Debatte darüber, warum ich denn das „Ich“ diesmal so ungewöhnlich betont oder zwischen „schnell“ und „den Mist“ diese unüberhörbar sorgenvolle Pause gemacht hätte. Meine Antwort lautet dann nur: „Hä?“

Traumdeutung

Das hasst sie. Denn mein „Hä?“ ist ihr „Tu’ doch nicht so!“ und somit Einstieg in das Forschungsprogramm zur Ergründung des ehelichen Universums. Getreu dem Credo: Kompliziert wird es erst, wenn wir einander nichts mehr zu sagen haben. In diesem Sinne würde sich die Liebste bereits zum Morgenkaffee gerne Traumdeutungsdateien runterladen, um mit mir über das kollektive Unbewusste nach C. G. Jung zu diskutieren. Während mich eher interessiert, wo der depperte Honig schon wieder ist. Aber irgendwann lesen wir dann eh beide und spüren in unsere Zeitungen hinein. Denn mitunter ist nichts so tiefgründig wie ein harmonisches Schweigen.

Paaradox-Auftritte: 24. 2. in Guntramsdorf, 25. 2. im Rabenhof.

michael.hufnagl@kurier.at

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