Da rein, da raus!

Da rein, da raus!
Ohren-Sause.Wenn Eheleute am schmalen Grat zwischen Zureden & Zuhören spazieren.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Michael Hufnagl

Michael Hufnagl

Also tu ich, was ich muss: hartnäckig sein, ihn festnageln.

von Gabriele Kuhn

über die Szenen einer Redaktionsehe

Sie

Ein Phänomen, das ich beim Mann nebenan und seinen Artgenossen beobachte, ist der Dareindaraus-Modus, auch Durchzugs-Modus genannt. Er muss im Y-Chromosom durch das Mir-wurscht-Gen festgelegt sein. Und führt dazu, dass im männlichen Hörzentrum ein Alarmknopf sitzt, der automatisch angeknipst wird, wenn sie was sagt, was ihn nicht interessiert. Das Ganze läuft freilich unter dem Motto Tarnen/Täuschen/Listig-sein, denn natürlich soll sie nicht merken, dass ihn null tangiert, was sie daherlabert.

Hm, hm. Jaja.

Also verfügt er über ein vollautomatisiertes Ich tu so, als tät ich dir zuhören-Gesicht und ein Repertoire an Abwimmel-Phrasen, wie das scheinbar zustimmende „Hm, hm“ oder „Jaja“, das Anteilnahme heuchelnde „Aha, interessant“ oder „Wirklich?“. Sehr häufig auch: „Geh, was d’ net sagst“. Nur so: Diese TTLS-Strategie kann er sich ins XL-Einmachglasl rexen. Ich durchschau das. Also tu ich, was ich muss: hartnäckig sein, ihn festnageln. Zur Veranschaulichung ein Beispiel. Ich: „Du, ich möchte heuer einen sehr großen Küchenkräutergarten anlegen.“ Er: Aha, interessant. Ich blickte in die Tiefe seiner Seele und sah, was er tatsächlich dachte: Langweilig! Wurscht! Ich fress das Grünzeug eh nicht! Jetzt gab ich „die Hartnäckige“: „Was hättest denn du gerne im Garten? Basilikum, gell. Petersilie auch. Und Thymian!“ Er: Geh, was d’ net sagst! Das wiederum hieß einfach nur: Pfah, mühsam, fahr einfach in die Gärtnerei und lass mich damit im Kraut. Daraufhin ich: „Ich seh schon, du musst mit, so begeistert wie du bist.“ Blöd, dass er mit dem Gedanken längst bei BB (für: Bundesliga & Bier) gelandet war, denn es entfuhr ihm ein vollautomatisches Jaja. Und ehe er sich’s versah, saß er bei mir im Auto auf der Fahrt in die Gärtnerei.

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Er

Es ist ein scherzhafter Reflex, der schon viele Jahre her ist, mir aber immer noch nachhängt. Damals sagte meine Frau während eines bedeutenden Fußballmatches zu mir: „Maah, kaum rennen im Fernsehen 22 Maxerln einem Ball hinterher, kann man dir nix mehr sagen ... Haalloo? ... Hörst du mir überhaupt zu?“ Und meine Antwort war: „Ok, mach’ ich dann.“ Das war selbstverständlich eine Zuspitzung, die ich als netten Beweis meiner außerordentlichen Begabung zur humorvollen Schlagfertigkeit verstanden wissen wollte. Leider kam der Liebsten kein Lächeln aus. Lieber verdrehte sie die Augen und hängte ihr legendäres Müder-Witz-Gesicht ein.

Im Labyrinth

Das Problem ist – wie oft – wesentlich tiefgründiger als es die Ausführungen links erahnen lassen. Denn gnä Kuhn ist eine Frau, die ... wie sag ich’s ... eine höchst solide Grundeloquenz pflegt. Heißt: Aus ihrer Sicht gibt es immer und überall etwas zu besprechen. Soll sein, die Tücke ihres Mitteilungsdrangs ist nur: Die Übergänge zwischen „sehr wichtig“ und „ziemlich wurscht“ sind eher fließend. Und wer da als ehemännlicher Dauerlauscher nicht gelegentlich (z. B. während eines 4:3 zwischen Liverpool und Dortmund) sein Zweitohr schont, ist im Dialog-Labyrinth verloren. Zumal die Idee, dass ein Küchenkräutergarten (was immer das genau ist) her muss, etwa mit der gleichen Schicksalsschwere verkündet wird wie die Story, dass sich ein Landesfürst einen neuen Innenminister bestellt. Ich bin trotzdem mit in die Gärtnerei gefahren. Denn wo, wenn nicht dort, können wir das Thymian-Thema endlich einmal richtig durchdiskutieren?

Unsere nächsten Paaradox-Auftritte: 19. 4. im Schloss Großrußbach, 25. 4. im Wiener Rabenhof.

michael.hufnagl@kurier.at

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