Heute schon postgefaktet?

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Versuchen Sie einmal, falls das Leben Sie in eine gelehrte Gesprächsrunde verschlägt, ein frei erfundenes Fremdwort einzustreuen. Zum Beispiel: „Amoploph“. Sagen Sie: „Die amoplophe Entwicklung der Gesellschaft ist besorgniserregend.“ Oder: „Im Spätwerk Adornos nehmen die amoplophen Strukturen zu.“ (Weniger gut: „Arnautovic neigt heuer zu amoplophen Laufwegen.“)

Jede Wette: Sie kommen damit durch.

So funktioniert der Mensch. a) Er nimmt das wahr, was er erwartet (in dem Fall: Gscheitreden). b) Er ist eitel und würde sich nie die Blöße geben, einzugestehen, dass er das Wort nicht kennt. Im Idealfall nehmen die anderen das Wort auf und ein halbes Jahr später sagt halb Wien „amoploph“.

Das neue internationale Wort des Jahres ist „postfaktisch“, es beschreibt die Tendenz, Emotionen mehr zu trauen als Fakten. Leute, die oft „Narrativ“ und „Diskurs“ sagen, sagen auch gerne „postfaktisch“. Das fühlt sich gut an und tröstet über das nagende unschöne Gefühl hinweg, dass wir einander zunehmend weniger verstehen.

Guido Tartarottis neues Kabarettprogramm "Selbstbetrug für Fortgeschrittene" ist am 20. Dezember und am 20. Jänner im Theater am Alsergrund zu sehen, am 11. Jänner beim Satirefestival Schwechat und am 18. Jänner im Kabarett Niedermair.

Kommentare