Protestschweigen

Georg Leyrer

Georg Leyrer

4’33’’ besteht aus vier Minuten und 33 Sekunden Schweigen. Das kann kein noch so guter Geheimdienst abhören.

von Georg Leyrer

über Protestsongs zum Spionage-Skandal

Wo sind sie nur hin, die rauschebärtigen Männer und die lustig gekleideten Frauen, die einst aus jedem Krieg, jedem Straßenneubau, jedem zerplatzten Frühstücksei einen Protestsong gemacht haben?

Jetzt wäre ihre ruhmreichste Stunde gekommen. So herrlich könnte man angesichts des US-Spionageskandals zur Akustikgitarre über ausgehebelte Grundrechte, tiefschürfende Zweifel an der westlichen Welt, über das Unbehagen in der technologisierten Gegenwart singen. Aber niemand Nennenswerter tut es. Selbst die sonst so zornfreudige Metal-Abteilung schweigt lautstark.

Also müssen wir wohl Anti-Abhör-Protestsongs nehmen, die es schon gibt. Längst kursieren im Internet Listen wie „Songs für Snowden“ mit Liedern über Überwachung. Der Klassiker natürlich: „Every Breath You Take“ von Police. „Every word you say/Every game you play/...I’ll be watching you“, das ist ja wie für die US-Onlineüberwacher geschrieben.

Ausgerechnet 1984 (!) kam das Lied „Somebody’s Watching Me“ auf den Markt. Auch David Bowie besang den „Big Brother“.

Den grundlegendsten Protestsong gegen ausufernde Onlineüberwachung hat aber John Cage schon 1952 komponiert: 4’33’’ besteht aus vier Minuten und 33 Sekunden Schweigen. Das kann kein noch so guter Geheimdienst abhören. Protestsongs waren einmal. Heute heißt es: Protestschweigen.

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