Immer muss man sich entscheiden

Doris Knecht
Der moderne Lebensstil stellt einen ständig qualvoll vor die Wahl - die Wiener Linien sind da nicht anders.

Die Wiener Linien lassen ihre KundInnen mitentscheiden, welche Stimme künftig Ansagen macht. Zwei Frauenstimmen stehen zur Auswahl, die eine klingt eher nach Chris Lohner, die andere mehr nach Ilse Buck selig.

Einerseits ist das nett, andererseits ordentlich wurscht. Was bezweckt wird, ist klar: Die Kunde soll das Gefühl bekommen, sie könne bei den Entscheidungen der Wiener Linien mitreden. Was natürlich, wenn’s um wichtige Dinge geht, nicht der Fall ist. Aber es schafft emotionale Bindung an ein Unternehmen, wenn der Kundin und dem Kunden das Gefühl vermittelt wird, dass sie über die Stimme, die da aus dem Lautsprecher tönt, mitentschieden hat. Auch wenn das von echtem Mitreden viele Etagen abwärts entfernt ist.

Aber es ist auch Teil eines modernen Lebensstils, der einen ständig qualvoll vor die Wahl stellt. Früher haben alle Telefone auf genau eine Art geklingelt. Heute muss man sich entscheiden, ob man von seinem Handy bezwitschert, bezirpt, angebrüllt, ausgelacht, antrompetet oder angesungen werden will. Früher hat man einen Schnappschuss gemacht, klick, fertig. Heute muss man sich erst für die richtige Foto-App entscheiden, und innerhalb der App für den gewünschten Effekt: Siebzigerjahre? Fisch-Auge? Westernfilm-Patina?

Ganz schlimm sind diese neuen Bubble-Teas, bei deren Bestellung man sich zwischen 200 Variationen entscheiden muss: welcher Tee, welcher Geschmack, welches Topping? Eine totale Zumutung für Menschen, die schon am Salatbüffet der Betriebskantine komplett überfordert sind: drei verschiedene Dressings! Oh my God!

Insofern ist man den Wiener Linien dankbar für nur zwei Möglichkeiten: Okay, dann die erste bitte, danke.

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