Es gibt nicht einmal ein Wort dafür

Doris Knecht

Doris Knecht

Große Aufregung um Köln: richtig, wichtig, wenn auch teilweise sehr scheinheilig.

Seit Jahrzehnten wehren sich Frauen gegen männliche Belästigungen und Übergriffe im öffentlichen Raum: Und genau so lange wird das bagatellisiert und verhöhnt. Das seien doch nette Komplimente, man solle doch froh sein, dass man sexy gefunden werde. Während in Amerika langsam ein Bewusstsein für "Street-Harassment" entsteht, gibt es im deutschen Sprachraum noch nicht einmal einen adäquaten Ausdruck dafür. Belästigung? Liegt doch auch immer im Auge des Betrachters. Und wo es kein Wort für das Problem gibt, gibt es kein Problem, kein Bewusstsein dafür. Siehe auch die hiesige Debatte um den sog. "Grapsch-Paragrafen", die zeigt, dass es bisher keinen gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, dass es sich dabei um einen sexuellen Übergriff handelt, eine Straftat.

Das erklärt vielleicht auch, warum die Polizei in Köln zuerst kein Problem gesehen hat. Und es rechtfertigt die vielkritisierte Reaktion der Kölner Bürgermeisterin, die, neben anderem, Frauen aufforderte, sich noch besser zu schützen. Dabei ist das die ganz normale weibliche Reaktion auf ein leider ganz normales männliches Verhalten, mit dem Frauen immer rechnen müssen – und je größer und alkoholisierter die Gruppe der Männer, desto mehr heißt es aufpassen. Frauen müssen derlei als stets möglich akzeptieren: Wieso sonst gehören Selbstverteidigungskurse für Mädchen mittlerweile fast zum Schul-Stoff? Wieso sonst ist es normal, dass Eltern ihre Töchter in so einen Kurs schicken? Weil es verantwortungslos und vielleicht lebensgefährlich wäre, es nicht zu tun.

Das ist unsere westliche Realität. Unsere Normalität, in der jede Frau jederzeit mit einem Übergriff oder Überfall rechnen und sich mit sog. "angemessenem" Verhalten schützen muss. Und das war auch schon, bevor Flüchtlinge zu uns kamen. Die Welt ist kein sicherer Ort für Frauen – auch die westliche nicht. Wenn Köln daran endlich etwas ändert: gut.

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