Einen Eisbären aufbinden

Guido Tartarotti

Guido Tartarotti

Das war ein wunderschöner, weil sehr trauriger Moment.

von Guido Tartarotti

Radio Wien bei einer Reise-Messe

Dieser Tage wurde in Radio Wien über eine Reise-Messe berichtet, und zwar über den Trend zur Antarktis-Kreuzfahrt. Dabei wurde eine Dame, die gerade eine solche gebucht hatte, gefragt, worauf sie sich am meisten freue, und sie sagte: „Auf die Eisbären!“

Das war ein wunderschöner, weil sehr trauriger Moment. Denn wie wir alle naturgemäß wissen, wird die Dame furchtbar enttäuscht werden. Aber zumindest in der Sendung auf Radio Wien wagte niemand, ihr die Wahrheit zu sagen.

Und das ist vielleicht gut so. Vielleicht bleibt es dabei. Und wenn die Dame aus der Radiosendung dann in einigen Monaten an der Reling ihres Kreuzfahrtschiffes steht und in die gänzlich eisbärenlose südpolare Eiswüste hinausschaut, die doch genau so aussieht, als hätte ein Designer sie als Eisbärenwohnung entworfen, dann wird sie sich unter Umständen denken: „Vielleicht schlafen die Eisbären heute ja, macht nichts, ich weiß doch, dass sie da sind. Und ich freue mich für die Pinguine, die ungefressen weiterwatscheln dürfen.“ Vielleicht ist es sogar gut so: Der echte Eisbär kann ja nie so weiß und so majestätisch eisbärig aussehen wie der Eisbär in der Fantasie der Dame. So wird eine Antarktis-Kreuzfahrt zur Reise in die eigene Vorstellungskraft. Wer echte Eisbären sehen will, braucht ja nur von, sagen wir, Wien-Neubau nach Schönbrunn fahren, also nur fünf statt 13.000 Kilometer.

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