Premierenfeier

Karl Hohenlohe

Karl Hohenlohe

Dann kommt die größte Hürde: die Freunde.

von Karl Hohenlohe

über die Stille nach dem Applaus


Noch hält der Schlussapplaus an, wird stärker, ruft nach erneuter Verbeugung und bricht dann irgendwann, langsam, aber endgültig, in sich zusammen. Die Stille nach dem Applaus ist auf der Bühne ungleich lauter zu vernehmen, als der größte Jubel, der vom Auditorium zuvor heraufgeschwappt ist.In diesem Moment zweifeln die Direktoren, Dirigenten, Schauspieler, Sänger und Pianisten noch.Der Premierenapplaus ist kein Gradmesser, da sitzen die ausgesuchtesten Freunde und Feinde im Publikum, da wird Meinung gemacht, da wird die Führung kritisiert oder propagiert, da wird Politik geklatscht.Der schlimmste Moment für den Premierenakteur ist die Premierenfeier. Wird man ihn loben oder so loben, dass es einem Dolchstoß gleichkommt?Wird sich der Kantineur einen kleinen Hauch zu früh abwenden und dem „Großartig warn’s“ ein unterstreichendes „Aber wirklich!“ folgen lassen?Wird der Direktor einen tröstlichen Ton anklingen lassen und gleich vom nächsten Stück sprechen oder wird man – und das ist der größte Wunsch aller Künstler – uneingeschränkt geliebt?Vorsichtig nähert sich der Schauspieler dem Premierenumtrunk, noch einmal an diesem Abend betritt er die Bühne, empfängt Applaus und wird sich sein Leben lang genau merken, wo er laut und leise ausfiel.Dann kommt die größte Hürde: die Freunde.Werden sie heute endlich die Wahrheit sagen oder sich wieder einmal hinter dem Freundschaftsband verstecken? Werden sie loben, weil sie nicht verletzen wollen und solchermaßen mehr ver­letzen, als es jede Kritik jemals imstande wäre?Oder werden sie schweigen, was den gleichen Effekt auslöst? Als im Akademietheater, nach der umjubelten „Onkel Wanja“-Premiere schon lange die Gläser klirrten, saß Nikolaus Ofczarek noch in seiner Garderobe und fasste all diese Zeilenmit nur fünf Worten zusammen: „Es finden nie alle toll“.Einladungen, Beschwerden, Hinweise:office(at)hohenlohe.at

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