Von Ösis und Piefkes
Anlässlich des Nationalfeiertags wurde ich neulich in eine Talkshow geladen: „Ösis und Piefke. Beste Freunde oder beste Feinde?“ Wir Gäste sollten lustige Anekdoten des gegenseitigen Missverständnisses preisgeben, doch ich wollte nicht erzählen, wie ich bei meinem preußischen Ex-Ex-Ex ständig dachte, ich sei auf einem Exerzierplatz. (Sag mal! Gib Butter rüber! Zieh Dich aus!). Ich musste festhalten: Deutschland ist nicht mehr Deutschland. Denn Deutschland ist neuerdings sympathisch. Bevor Sie genauso stirnrunzeln wie meine Co-Gäste, betrachten wir die Fakten: Seit die Lokführer wie Piloten das Streiken entdeckt haben, stellt einen die Fortbewegung durch die deutschen Lande vor ähnliche Herausforderungen wie in einem Entwicklungsland. Wenn nicht gestreikt wird, beweist die deutsche Bahn, dass deutsche Pünktlichkeit eine Mär ist. VW manipulierte Abgaswerte und die WM 2006 wurde mit einer Schwarzen Kassa erkauft. Wobei an dieser Stelle einer meiner Mit-Gäste eilig festhalten musste, dass dafür einzig die Bayern verantwortlich seien. Den Bayern kann man jedoch nicht anlasten, dass sich die deutschen Fußballer nur äußerst mühsam für die EM qualifizierten, während – und hier kommt das nächste Wunder – die Österreicher praktisch durchmaschierten. Nicht nur Deutschland hat sich verändert, Österreich auch. Eine bärtige Lady gewinnt den Song Contest, das Land sprüht vor Nächstenliebe und außerhalb der Grenzen spricht man häufiger über heimische Musiker und Schriftsteller als über Skifahrer. Nun muss sich unser kleines Land vielleicht etwas Neues überlegen, um den traditionellen Minderwertigkeitskomplex gegenüber dem großen Nachbarn aufrecht zu erhalten, doch einstweilen halte ich mich an das Fazit dieser Talkshow: Es gibt doch nichts Schöneres, als wenn Klischees überholt werden.
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