Die Patzer auf dem Orange

Eine Mixtur der Emotionen. Nur, es fällt mittlerweile ganz schön schwer, den Niederländern alles zu gönnen.
Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Die Niederländer haben verdammt viel zu tun, um ihr Image aufzupolieren

von Bernhard Hanisch

über die Halbfinal-Teilnehmer

Dass die Brasilianer ihren Fußball zum Zungeschnalzen schon vor geraumer Zeit im Geschichtsbuch abgelegt, sich phasenweise durch ihr Heimturnier geholzt haben, ist immer noch schwer zu verdauen. Eine Konsequenz des Spielertypen und natürlich des Trainers, der sie ausgewählt hat. Eine Mannschaft, die, sich gegen den Druck von außen erwehrend und den Holzhammer schwingend, dem Vorurteil gerecht werden muss, ein Titelfavorit zu sein.

Dass die Deutschen längst ihr roboterhaftes Fußball-Konstruieren dem Variantenreichtum geopfert haben, schadet nicht ihrer Zielstrebigkeit, hat aber den internationalen Betrachter längst milder gestimmt. Glück lässt sich tatsächlich verdienen. Den Drang zur Objektivität spürte die Mehrheit der österreichischen Fußballliebhaber in deutschen Angelegenheiten ohnehin nie.

Dass die Argentinier große Probleme hatten, ihren himmelblau-weißen Markenartikel als einen solchen zu verkaufen, wurde bisher als bloßes Geduldsspiel abgetan. Warten auf Messis Genieblitz, warten auf eine Formsteigerung beim Rest der Mannschaft, sie kommen schon noch auf Touren.

Und die Niederländer? Dass sie unter den letzten Vier sind, stand nicht unbedingt auf der Rechnung der Experten.

Damit könnte gerechtfertigt sein, ihnen sämtliche Daumen zu halten. Aber keine Mannschaft hat in den letzten Jahren so viele Sympathiepunkte verschenkt wie das unvergleichbare Orange.

Anderes Gesicht

Im WM-Finale 2010 traten die Niederländer ihren eigenen Mythos mit Füßen, Brutalität hieß die Taktik, die Niederlage gegen Spanien folgte als gerechte Bestrafung.

Der Sinneswandel war endgültig vollzogen. Niederländer, die einst ohne Skrupel auch Holländer genannt werden durften, haben sich von der einst so technisch feinsinnigen Spielauffassung auf die Jagd nach gegnerischen Knochen gemacht. Es ist auch im Fußball sinnlos, aus der Vergangenheitskiste all die schönen Erinnerungen zu kramen. Aber eine Träne für Cruyff, van Basten, Gullit oder Seedorf zu zerdrücken, war erlaubt.

Die Niederlande haben sich mittlerweile selbst einen Stempel aufgedrückt. Arjen Robben kann so gut spielen wie er will, er pflegt gleichzeitig beharrlich sein Image als wehleidiger Schwalbenkönig. Warum er das nötig hat? Eine berechtigte Frage, eine Charakterfrage möglicherweise.

Louis van Gaal genießt den Ruf als genialer Taktiker, als Mann, der im rechten Moment tut, was man zu tun hat. Er ist ein Mann des Erfolgs. Was vor allem heißt, er wird verehrt, wenn er gewinnt. Aber geliebt? Niemals, ein Ding der Unmöglichkeit. Und dann betrat auch noch ein Torhüter namens Tim Krul die Bildfläche. Der einzige Torhüter, der in einem entscheidenden Elfmeterschießen zu unfairen Mitteln griff.

Die Niederländer haben verdammt viel zu tun, um ihr Image aufzupolieren. Auch dann, sollten sie in diesem WM-Finale in die Außenseiterrolle übernehmen.

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