Leiden mit Stil

Österreich muss mit dem Abschied von der EM rechnen. Die Fans haben gezeigt, wie sie leiden: mit Größe.
Bernhard Hanisch

Bernhard Hanisch

Die Fans haben gezeigt, wie sie leiden: mit Größe.

von Bernhard Hanisch

über die österreichischen Anhänger

Am Mittwoch im "Fünfer". In einer Wiener Straßenbahn zu sitzen, bedeutet am Tag danach die direkte Konfrontation mit der Ernüchterung. Im Waggon der kollektiven Aufarbeitung beschäftigt das 0:2 gegen die Ungarn. Der Stachel sitzt tief. Vom vordersten bis zum hintersten Sitz, fast lückenlos besetzt von einem rot-weiß-roten Querschnitt.

Der Mann mit der Bierdose beendet seine zu laute Frustrationsbewältigung, benötigt den nächsten Schluck des Trostes, stößt auf und in einem Atemzug aus: "Scheiße." Und wie denn diese Nachbarn gleich geheißen haben, gegen die "wir" gestern verloren haben, will das kleine, an der Hand der Mutter hängende Mädchen wissen. Und warum? "Ungarn."

Mutter rollt die Augen, und die Mischung von Empörung und Genervtheit entlädt sich als Zischlaut: "Schiedsrichter." Er sei ein Gegner gewesen. "Er war gegen uns." Enttäuschung und Ursachenforschung. Logisch.

Wie war das noch, eine Woche zuvor? Österreichs politische Spitze verabschiedete das Nationalteam. Mit Glückwünschen und in der Hoffnung, der Fußball werde jetzt das eigene Handeln für längere Zeit aus dem Rampenlicht schieben. Pech gehabt. Denn jetzt ist zu befürchten, was noch vor einigen Tagen niemand im Land so richtig befürchten wollte: das (zu) frühe Aus nach der Gruppenphase der EM.

Jene, die mit dem eigentlich unvorhergesehenen Vorfall direkt konfrontiert wurden, waren die nach Bordeaux geflogenen Fans. Eine Reise, die eigentlich mehr bestand aus warten, weit gehen und sich sicherheitshalber betatschen lassen. In den verbliebenen neunzig Minuten scheibchenweise ihrer Zuversicht beraubt, mussten sie sich auch noch von den Deutschkenntnissen ihres ungarischen Gegenübers überzeugen. "Auf Wiedersehen!"

Auf Wiedersehen? Es ist mit einem Schlag zu einer großen Wahrscheinlichkeit geworden, dass sich Österreichs Mannschaft nach dem Spiel gegen die Portugiesen überlegen muss, welche Abschiedsworte die besten sind. Österreichs Fans werden leiden, sollte dies passieren. Aber sie haben in Bordeaux im Gegensatz zu einigen anderen Gästen in Frankreich schon einmal gezeigt, wie man sich zu benehmen hat: vorbildlich.

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