Koller: Ein Teamchef mit Tiefgang

Das Olympische Feuer wird längst erloschen sein, verraucht hoffentlich auch der Ärger über das spärliche Edelmetall-Vorkommen in der österreichischen Sportlandschaft. Am kommenden Mittwoch hat die Nation schon wieder andere Sorgen. Das Team spielt Fußball. Wieder einmal erwärmt sich am Beginn eines wie immer wichtigen Länderspieljahres die Hoffnung, besser zu sein als der schlechte Ruf. Vergeigt die von Teamchef Marcel Koller ausgewählte Mannschaft (siehe unten) am Mittwoch gegen die Türkei die Generalprobe für die WM-Qualifikation, herrscht ohnehin "Nine-Eleven-Stimmung" vor dem großen Schlager am 11. 9. gegen Deutschland. Es wird schwer sein, den Menschen im Fall einer Niederlage klar zu machen, dass der Weg des Schweizers trotzdem der richtige ist. Alles wird Koller dann wohl angekreidet werden. Beispielsweise, dass er ab jetzt mit der Mannschaft der Isolation entrinnen und vor einem Länderspiel in einem Wiener Innenstadt-Hotel wohnen will, im Gegenzug bei Trainingseinheiten wegen erhöhter Spionagegefahr nur 15 Minuten öffentliche Zugänglichkeit gewährt. Neue Ideen, aber lediglich Randerscheinungen.

Beeindruckend

Der Teamchef hat vor allem überzeugt, wie tief er mittlerweile in die ohnehin vielschichtig schwierige österreichische Materie hineingewachsen ist. Ohne Jammern über den Unglücksfall Alaba, über mangelnde Spielpraxis der Legionäre, über die näher rückende deutsche Übermacht. Keine Panikaktionen in der Kadergestaltung, keine Spur von Umgestaltung der grundlegend offensiv ausgerichteten Spielanlage. "Das Gerüst der Mannschaft steht, die Philosophie auch", meint Koller. Wenn Alaba gegen die Türken sicher und gegen die Deutschen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fehlt, würde eben ein anderer seine Rolle übernehmen. Der potenzielle Kandidat dafür ( Veli Kavlak?) wird "natürlich nicht spielen wie Alaba, aber er wird sich ins System eingliedern." Genauso wie Alaba. Das klingt nicht nach Improvisation, sondern nach Plan. "Wir haben uns darauf festgelegt, dass wir im Nationalteam ein Team bilden, damit wir nicht bei jedem Lehrgang bei Null beginnen müssen", sagt er. Ein Beispiel belegt diese Erkenntnis: Franz Schiemer war wegen seiner Hochzeit Anfang Juni dem Innsbrucker Trainingslager ferngeblieben. Also fand er auch jetzt keine Berücksichtigung. Das mag herzlos erscheinen, ist aber konsequent. Andererseits darf sich Marko Arnautovic mehr leisten als sonst erlaubt. Auch Marc Janko ist trotz fehlender Fitness wieder dabei. Fälle, über die man tagelang streiten könnte.

Belohnt

Doch es passt wenigstens in die klare Linie, keine Spieler mehr nach kurzen Höhenflügen postwendend ins Team-Trikot zu stopfen. Koller betont, was früher Selbstverständlichkeit war: "Eine Einberufung ins Team soll schließlich eine Belohnung sein. Ein Spieler muss sich über einen längeren Zeit aufdrängen." Christoph Leitgeb mag wiederum eine Ausnahme dieser Regel sein, doch die Regel muss vor allem für Spieler Gültigkeit behalten, die aus einer Bundesliga wie der österreichischen kommen. Dort hat Koller übrigens verbesserungswürdige "technische Unkonzentriertheiten" wahrgenommen. Eine höfliche Umschreibung für den Zustand des heimischen Durchschnitts und für das momentane Ranking im internationalen Vergleich. Kritik, die dem Teamchef zusteht. Nein, die von ihm auch verlangt wird. Und die beweist, dass er sich tatsächlich vertieft hat in diese vielschichtig schwierige österreichische Materie.

ÖFB-Kader gegen die Türkei

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