Zweitens: Man muss Nehammer zugestehen, dass er die unterschiedlichen Machtblöcke der ÖVP relativ gut bedient hat. Den Landwirten gehört wieder ein Ministerium ganz allein. Tourismus und Hotellerie werden mit einer eigenen Staatssekretärin bedient, die noch dazu aus der Branche kommt. Dasselbe gilt für den Digitalisierungs-Staatssekretär, der früher Chef eines Start-ups war.
Drittens: Die ÖVP kann zwar nun sagen, dass sie ein Ministerium einspart, aber zwei Frauen wurden durch zwei Männer und eine Frau ersetzt. Keine gute Optik.
Viertens: Besonders auffallend ist die Neu-Positionierung von Martin Kocher. Der bisherige „Arbeitsminister“ wird eine Art Superminister. Mit fast dem kompletten bisherigen Wirtschaftsministerium plus den Bereichen Tourismus und Rohstoffe von Köstingers Bauchladen-Ministerium. Die ÖVP errichtet damit ein Gegenministerium zu Leonore Gewessler, Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie.
Freilich würden Gewessler und Kocher gut daran tun, zusammen- und nicht gegeneinander zu arbeiten. Es ist Krieg in Europa, und Österreich muss so schnell wie möglich Alternativen zu Öl und Gas aus Russland aufbauen. Gewessler ist da als Energieministerin bislang nur mit geschmeidiger Beruhigungsrhetorik aufgefallen. Die Industrie wartet immer noch auf Notfallpläne. Rohstoffminister Kocher kann da vielleicht neue Impulse setzen.
Schonfrist haben Kocher und die neuen Regierungsmitglieder keine. Der Krieg und seine dramatischen ökonomischen Folgen – Stichwort Mega-Inflation – lassen keine Zeit dafür. Keine Zeit ist deshalb auch für vorgezogene Neuwahlen, wie das die Opposition gerne hätte. Wahlen haben wir ohnedies. Im Spätherbst ist Bundespräsidentenwahl. Wäre nett, wenn der ältere Herr in der Hofburg, der heute wieder einmal neue Regierungsmitglieder angeloben darf, dann endlich einmal offenbaren würde, ob er nochmals antritt. Vielleicht hat er ja auch keine Lust mehr, sich ständig neue Minister merken zu müssen.
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