„Auf der einen Seite Antiamerikanismus, Antikapitalismus, Antisemitismus, religiöser Fundamentalismus und der Sieg des Kollektivs über den Einzelnen. Gleichheit statt Freiheit. Auf der anderen Seite Marktwirtschaft, Liberalität, Individualismus. Freiheit statt Gleichheit“: Das schrieb Springer-Chef Mathias Döpfner zum ersten Jahrestag von 9/11 in der Welt. Es lässt sich grosso modo auch auf den Nahost-Konflikt übertragen. Das mag manchem zu simpel erscheinen – und in der Tat kann man hier die eine oder andere Relativierung anbringen; nichts ist nur schwarz oder weiß. Und selbstverständlich ist Kritik an Israel, an den USA möglich, muss immer neu verhandelt werden, was unter Freiheit, Liberalität, Individualismus zu verstehen ist. Aber zunächst sollte klar sein, wo man selbst stehen will.
Wer daran zweifelt, sehe sich die seltsame Allianz von Hamas-„Verstehern“ bzw. Israel-Kritikern an. Da gibt es nach wie vor den alten, rechten Judenhass. Da gibt es aber auch ein in Teilen der Linken tief verwurzeltes Narrativ, bei dem die Grenzen zwischen Antiamerikanismus, -kapitalismus, -zionismus, -semitismus tendenziell verschwimmen. Man denke etwa an die BDS-Bewegung (Boykott, Desinvestitionen, Sanktionen), die sich „israelkritisch“ und „antiimperialistisch“ gibt, aber ganz klar das Existenzrecht Israels bestreitet. „Antiimperialistisch“ ist überhaupt ein einschlägiges Codewort. Auch auf Teile der Klimabewegung passt diese (Selbst-)Zuschreibung. „Als internationale antikoloniale Bewegung für Klimagerechtigkeit sind wir solidarisch mit der palästinensischen Befreiung“, hieß es etwa in einem FFF-Tweet von 2022.
Diesem gefährlichen, letztlich mit rechtsstaatlich-demokratischen Prinzipien nicht vereinbaren Amalgam entschlossen entgegenzutreten, erforderte freilich einen inneren Kompass und eine Fähigkeit zu Selbstvergewisserung, die Europa weitgehend abhandengekommen ist. Klar muss dennoch sein, dass mit Israel im Kern auch angegriffen wird, was wir allzu selbstverständlich als „europäische Werte“ bezeichnen.
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