Journalismus statt Aktivismus
Martina Salomon
30.12.22, 18:00Man hatte so sehr auf ein leichteres Jahr gehofft, doch 2022 stellte sogar die Krisen davor in den Schatten. Getroffen hat das auch die Medien.
Weil die Flut an schlechten Nachrichten kaum mehr zu ertragen ist, wendet sich ein Teil des Publikums ab. „News avoidance“ ist zum Modewort geworden. Doch das war heuer noch nicht alles: Publik gemachte Chats haben Chefredakteure den Posten gekostet, die Papierpreise sind explodiert, gleichzeitig kompensieren die Digital-Erlöse nicht so schnell wie erhofft die sinkenden Print-Einnahmen. Der allergrößte Teil der Werbung fließt zu Facebook & Co ab. Dabei sind die US-Giganten in diesem schwierigen Wirtschaftsjahr selbst unter Druck geraten: Sie haben gerade Zehntausende Mitarbeiter gekündigt. Und es wurde unter dem neuen Twitter-Boss Elon Musk noch klarer, wie sehr soziale Medien die öffentliche Meinung manipulieren.
Es haben aber auch die Vertreter der klassischen Medien selbst am Ast gesägt, auf dem sie sitzen: durch Skandalisierung und Selbstüberhöhung zum Beispiel. Und kaum eine andere Branche ist derartig selbstdestruktiv. So denunzieren als Journalisten „verkleidete“ Aktivisten gern ihre Kollegen als moralisch minderwertig und als abhängig von finsteren Wirtschafts- oder Polit-Mächten.
Kontakt mit Mächtigen und Interventionen
Der KURIER heult nicht mit den Wölfen der Branche. Wir sehen uns als Vertreter eines konstruktiven Journalismus, der nicht nur Probleme beschreibt, sondern auch Lösungen sucht. Journalismus soll nicht belehren und nicht umerziehen. Wir halten unsere Kunden für mündig genug, sich selbst eine Meinung zu bilden. Den Kontakt zu Mächtigen pflegen wir nicht, um einen persönlichen Vorteil daraus zu schlagen, sondern um einen Informationsvorsprung für unsere Leserschaft zu gewinnen. KURIER-Redakteure haben eigene Meinungen, und vieles wird in den Konferenzen heiß diskutiert. Unsere Richtlinie ist, alle Parteien nach Inhalten kritisch-distanziert, aber ohne Häme zu beurteilen.
Gibt es Interventionsversuche? Ja, immer schon. Aber weniger seitens der Politik und mehr von anderen Seiten, als man glaubt. Manche Beschwerden sind berechtigt, manche nicht. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, sind im KURIER inhaltliche und kaufmännische Verantwortung getrennt. Denn wir schreiben natürlich nicht, was unsere Inserenten vorgeben, sondern recherchieren akribisch, was Sache ist. „Unsere Anzeigenplätze können Sie kaufen, unsere Redaktion nicht“, hat der KURIER klargestellt, als so viel die Rede davon war, dass sich die Regierung wohlwollende Berichterstattung kaufen könne. Ein starkes Redakteursstatut schützt uns davor. Inserate bleiben dennoch für das Geschäftsmodell unabhängiger Medien überlebenswichtig, genauso wie unsere zahlenden Abonnenten. Wir wollen keinesfalls am finanziellen Tropf von wem auch immer hängen.
Machen wir Fehler? Natürlich. Ihre Chefredakteurin war zum Beispiel zu Beginn der Pandemie eine Befürworterin des schwedischen Wegs und tat das auch in einem Leitartikel kund, für den sie sich angesichts der steigenden schwedischen Todeszahlen später entschuldigte. Rückblickend gesehen waren der schwedische, der dänische, der Schweizer Weg aber vielleicht doch vernünftiger – und viele Maßnahmen in Österreich (wie auch in vielen anderen Ländern, insbesondere Deutschland) überzogen. Damals fanden wir vieles davon richtig und wollten in der Hochphase der Pandemie Mitverantwortung übernehmen, um Leid, Krankheit und Tod mit Informationen auf dem Letztstand der Forschung zu verhindern. Dennoch haben wir 2021 ein umstrittenes Inserat von Corona-Maßnahmengegnern veröffentlicht. Inhaltlich waren wir anderer Ansicht – weil wir aber die Meinungsfreiheit hochhalten, haben wir uns nach langen internen Diskussionen entschieden, nicht Zensor spielen zu wollen. Das Gerede der Impfgegner von „gekauften“ Medien und „Systempresse“ (ein gefährliches Wort aus dunkler Zeit) ist völlig fehl am Platz. Bei allen Themen versuchen wir, beide Seiten einer Medaille zu betrachten. Gerade, wenn viele Medien in eine Richtung rennen, ist es uns wichtig, innezuhalten, noch genauer zu recherchieren und manchmal gegen den Strom Haltung zu bewahren. Viele Leserinnen und Leser schätzen das.
Verblödungs- und Radikalisierungsgefahr
Das KURIER-Medienhaus ist – dank einer starken, selbstbewussten Redaktion und solider Eigentümer, die sich inhaltlich nicht einmischen – gut aufgestellt. Doch das Umfeld wird schwieriger. Kürzlich wurden zwei Magazine eines Konkurrenzverlags geschlossen. Die amtliche Wiener Zeitung auf Papier verschwindet. Verlagshäuser haben Mitarbeiter zur Kündigung angemeldet. Gleichzeitig verzerrt die gebühren- und werbefinanzierte Macht des ORF den Markt und lässt privater Konkurrenz wenig Luft zum Atmen. Der „Staatsrundfunk“ braucht weiteres Geld (und hat Glück, dass die deutsche Debatte über die Existenzberechtigung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks noch nicht nach Österreich geschwappt ist). Die höchstgerichtlich erzwungene Neugestaltung der ORF-Finanzierung kann und muss den notwendigen fairen Wettbewerb aller Medien ermöglichen. Ein großer Wurf wäre notwendig, ist aber leider kaum zu erwarten. Die digitale Medienwelt hat in den vergangenen Jahren viele neue innovative Plattformen entstehen lassen, allerdings oft nicht frei von – kaum versteckter – politischer Abhängigkeit.
Im neuen Jahr wollen wir eines der innovativsten multimedialen Medienhäuser bleiben, immer wieder aufs Neue nach guten Nachrichten suchen (derzeit nicht leicht!) und wie immer ein verlässlicher Partner unserer Leserinnen und Leser sein. Wenn sich eine Gesellschaft in ihre Echokammern zurückzieht, herrscht nicht nur Verblödungsalarm, sondern auch Radikalisierungsgefahr. Bleiben Sie Teil der KURIER-Familie, wir geben auch 2023 unser Bestes. Versprochen.
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