Was nicht gut ist: Ministermitarbeiter haben Erfahrungen, die man in der „normalen“ Wirtschaft kaum sammeln kann und sind allerhöchste Arbeitsbelastung und ständige Verfügbarkeit gewöhnt. „Work-Life-Balance“? Ein Fremdwort.
Der Jurist Etienne Berchtold war außenpolitischer Sprecher mehrerer ÖVP-Kanzler, Mitarbeiter der Ständigen Vertretung bei der EU in Brüssel und auch in der Wirtschaft tätig. Vorigen Sommer wurde er Botschafter in den Vereinigten Arabischen Emiraten – nicht unbedingt der prestigeträchtigste, aber ein interessanter Botschafterjob, abgesegnet von der Präsidentschaftskanzlei. Er gilt als hochseriöser, fachkundiger Diplomat.
Vom Ministerkabinett in einen Top-Job (und zurück in die Politik): So verlief auch die Karriere von Sven Hergovich, dem neuen Parteiobmann der NÖ-SPÖ. Der ausgebildete Volkswirtschaftler hat in zwei „roten“ Kabinetten gearbeitet, wonach er mit nicht einmal 30 Jahren Vizechef und ein Jahr später Leiter des AMS Niederösterreich wurde. Alle, die mit ihm zusammengearbeitet haben, bescheinigen ihm höchste Qualifikation und Innovationsgeist.
Bei Berchtold hat ein unterlegener Kandidat die Gleichbehandlungskommission angerufen, die dem Kläger recht gab – was eine teils recht hämische Diskussion nach sich gezogen hat.
Aber oft sind es die politisch sozialisierten Menschen, die besonders interessant und krisenfest sind. Einer der klügsten Botschafter in Wien war der Deutsche Ralf Beste, jahrelang Spiegel-Journalist, dann im Kabinett des damaligen Außenministers Steinmeier, von 2019 bis 2022 in Wien und jetzt Abteilungsleiter für Kultur und Kommunikation bei Außenministerin Baerbock. In einer heimischen Kommission wäre er wegen nicht ausreichender Qualifikation vielleicht durchgefallen.
Einer der bekanntesten österreichischen Spitzendiplomaten – Wolfgang Petritsch – war Kreisky-Sekretär. Spitzenpolitiker wechseln aber auch gerne in die Immobilienwirtschaft (Faymann, Ostermayer), zu großen Konzernen wie Siemens (Ederer, Wehsely) oder in die Versicherungs- und in die Energiewirtschaft (Steßl, Strugl). Die erfolgreichen Industriellen Taus und Androsch kamen aus der Politik.
Umgekehrt scheint der Weg übrigens schwieriger zu sein: Manager und Forscher scheitern in der Spitzenpolitik oft. Natürlich soll es keine Versorgungsjobs für Unfähige geben. Wenn man aber den Weg aus einem Ministerkabinett in einen anderen Job prinzipiell skandalisiert, wird man keine qualifizierten Menschen mehr für politische Knochenjobs finden. Wollen wir das wirklich?
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