In der Krise platzen die Illusionen

Österreich hat sich stark verändert. Manche Debatten wären vor Kurzem noch undenkbar gewesen.
Martina Salomon

Martina Salomon

Pazifismus war gestern, heute herrscht Terrorangst.

von Dr. Martina Salomon

Meinungsumschwung in Österreich

Die Gesellschaft ist zurzeit tief gespalten – über das Thema Flüchtlinge mag man um des lieben Frieden willens manchmal nicht einmal mehr im privaten Kreis diskutieren. Unbestritten ist, dass die Migrationswelle unser Schul-, Gesundheits-, Sozial- und Sicherheitssystem an die Grenzen bringt und längst vorhandene Schwächen schonungslos aufzeigt. Die da wären: Wir haben – ähnlich wie andere europäische Länder – schon die Migranten der vergangenen Jahrzehnte nicht gut integriert. Sie haben Subgesellschaften gebildet (wenn auch Gott sei Dank nicht so massiv wie in Frankreich oder Belgien). Wir haben im Namen der Toleranz, der Religionsfreiheit und der politischen Korrektheit großzügig über manche Desintegration hinweggesehen. Dabei war es letztlich doch nur Laissez-faire und Feigheit. Das rächt sich jetzt.

Wir haben das Niveau der Pflichtschulen gesenkt, um die Illusion aufrechtzuerhalten, dass eh alle Kinder die Bildungsziele erreichen. Damit hat man selbst die grundlegendsten Bildungsaufgaben an die Unternehmen delegiert und leider ein neues Subproletariat erzeugt, das sich wohl ein Leben lang auf das Sozialwesen verlassen wird (müssen). Das ist kein "Ausländerproblem", sondern betrifft immer mehr Problem-Familien, schwerpunktmäßig in Wien. Freilich lockt das großzügige Sozialsystem (das Missbrauch kaum ahndet und zu wenig Arbeitsanreize setzt) Zuwanderer an.

Wir haben das Bundesheer verludern lassen. Die Neutralität – so die herrschende Meinung – werde uns schon vor allem schützen, sogar vor Investitionen in die Sicherheit. Der neue Verteidigungsminister muss nun notdürftig kitten, was seine Vorgängern zerschlugen. Pazifismus war gestern, heute herrscht Terrorangst.

Politik- und Kirchenkrise

Leider ist Österreich nicht krisen- und zukunftsfit. In manchen heimischen Zirkeln wird mittlerweile darüber räsoniert, wohin man auswandern könne, wenn die Zustände unerträglich werden. Unternehmen halten sich mit Investitionen zurück. Es herrscht eine schwere Politikkrise. Längst haben wir uns daran gewöhnt, dass die FPÖ in Umfragen bundesweit Nummer eins ist.

Und die Kirche? Selbst sie wirkt zwischen "Caritaskirche" und traditionellen – eher konservativen – Gläubigen gespalten. Hoffnungen, die islamische Zuwanderung könne als Reaktion auch wieder eine Betonung christlicher Werte bringen, werden enttäuscht werden. Die katholische und evangelische Kirche ist in großen Teilen Europas (aber keineswegs weltweit) dramatisch auf dem Rückzug. Ausgerechnet am Karfreitag, wo traditionell die Glocken schweigen, wollte ein Pongauer Pfarrer sie aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik läuten lassen. Salzburgs Erzbischof zog die Notbremse. Es bleibt beim Brauchtum der Oster-Ratschen. Das ist es aber auch schon. Die Flüchtlings-/Zuwanderungswelle der letzten Monate hat die Fundamente von Politik, Gesellschaft und Kirche unterspült. Sie waren offenbar nicht fest genug.

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