In dieser Woche hat sich Netrebko nun wieder zu Wort gemeldet und von Putin und seinem Krieg distanziert. Alles wieder gut also? Geht die Show bald weiter und der Euro-Geldhahn wieder auf? Mitnichten. Manchen Intendanten reichen die Distanzierungen nicht, andere warten Gespräche mit ihr ab. In Sibirien wurde sie bereits von einem Haus als Verräterin ausgeladen. Und was sagt uns das? Zum einen, dass Durchlavieren im Krieg nicht geht. Zum anderen, dass der moralische Zeigefinger oft in unseren Ohren steckt, sodass wir nichts mehr hören. Dabei war ihr jüngstes Statement eigentlich klar. Mehr wird – und will – man von ihr nicht über Politik hören.
Beispiel 2 kommt aus dem ach so korrekten Hollywood: Die Empörung über die Watschen, die Will Smith dem Moderator Chris Rock verpasste, ist beim Autor dieser Zeilen immer noch groß. Überlagert wird sie jedoch davon, dass Smith bei der Übernahme des Oscars vom Publikum gefeiert wurde. Dabei sollte klar sein: Auch wenn er den Preis verdient hat, Gewalt ist nie die Lösung. Und Humor darf alles. Der geniale Golden-Globe-Moderator Ricky Gervais legte sogar noch nach: Er hätte keinen Witz über fehlende Haare von Mrs. Smith gemacht, sondern über ihren „boyfriend“ (sie hat einen Rapper als solchen geoutet). Wo kommen wir hin, wenn Faustschläge Ironie unterbinden? Und all das passiert ausgerechnet beim Oscar, dem politische Korrektheit wichtiger ist als etwa die verpönte Breitenwirksamkeit?
Beispiel 3, wenn auch völlig anders gelagert: Der chinesische Künstler Ai Weiwei hat in Rom erstmals eine Oper inszeniert („Turandot“). Auf der Bühne läuft ein Film mit Schreckensbildern der jüngeren Vergangenheit ab: Syrienkrieg, Flüchtlinge, Gewalt in Hongkong, Überwachung, Corona etc. Was das miteinander zu tun hat? Nicht viel, außer dass es sich um Auswüchse diktatorischer Machtansprüche oder der Globalisierung handelt.
Allen Beispielen ist gemein: Sie zeigen, dass Differenzierung nicht gefragt ist, egal wo man steht. Und dass Ideologie Qualitätsdebatten ersetzt. In der Kunst wie in der Politik. Hauptsache, wir haben unsere Gut-/Böse-Schubladen.
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