Identitätsstiftender Wehrdienst

Warum es gut ist, dass Österreich kein Berufsheer hat und was Migranten an der Armee so anziehend finden.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wer beim Bundesheer war, identifiziert sich - hoffentlich! - mehr mit diesem Staat.

von Dr. Martina Salomon

über Migranten beim Heer

Die Entwicklung ist durchaus auffällig: Autochthone Österreicher gehen zum Zivildienst, Migrantenkinder lieber zum Bundesheer. Sie halten die Zivis für "Weicheier", Hilfe für Schwache und Alte gilt als "unmännlich". Mehr als die Hälfte der Garde Wien besteht aus Migranten. Gute Nachricht – oder doch eine schlechte?

Wer besorgt die Serie islamistischer Anschläge in Europa betrachtet und auch gesehen hat, wie rechte Türken zu Tausenden – die meisten mit österreichischer Staatsbürgerschaft – "Allahu Akbar"-schreiend durch Wiens Straßen ziehen, kann es durchaus zum Fürchten finden, dass Migranten so besonders gerne Dienst an der Waffe leisten. Für welches Vaterland wären sie eigentlich bereit, einzustehen?

Und jetzt die gute Nachricht: Wer beim Bundesheer war, identifiziert sich – hoffentlich! – mehr mit diesem Staat. In Frankreich bedauere man die Abschaffung der Wehrpflicht, meinte Kardinal Christoph Schönborn gerade – übrigens noch vor dem grauenvollen Anschlag auf eine katholische Kirche während eines Gottesdienstes in der Normandie. "Das Jahr in der Uniform hat viele Migranten dazu gebracht, sich mit dem Staat, in dem sie leben, auseinanderzusetzen", sagte er. Theoretisch hat der Kardinal schon recht – praktisch aber wird die Zeit oft einfach nur als verloren empfunden. Eine Ausbildungsreform wäre daher notwendig, damit die (jetzt nur noch) sechs Monate Grundwehrdienst in Österreich sinnvoller genutzt werden können.

Ein Grund zu feiern

Dennoch ist das Bundesheer eine riesige Chance, Heimatgefühl zu erzeugen. Für viele Migrantengruppen ist die Uniform ein sichtbarer Schritt ins Erwachsenensein, den der gesamte Clan begeistert feiert (wie bei öffentlichen Angelobungen gut sichtbar wird – bei Österreichern ohne Migrationshintergrund sind kaum Angehörige anwesend). Ängste, das Bundesheer könnte unterwandert werden, haben sich bisher nicht bestätigt. Der psychologische Dienst im Heer sortiert potenzielle Islamisten bei der Musterung und das Abwehramt auch später noch aus. Fremdenfeindlichkeit wiederum kann im Heer schwerer wachsen als anderswo, weil es glasklare Umgangsformen und Hierarchien gibt, an die sich alle zu halten haben.

Das Bundesheer in Österreich wie in Deutschland leidet mittlerweile unter Personalmangel. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will daher nicht nur EU-Ausländer für den Dienst an der Waffe, sondern jetzt auch Flüchtlinge in einem Pilotprojekt beschäftigen und in zivilen Fähigkeiten ausbilden – immerhin nicht als Soldaten. Die Idee sei, dass diese eines Tages wieder nach Syrien zurückgehen und beim Aufbau ihrer Heimat helfen könnten.

Keine schlechte Sache – und übrigens gut, dass wir auch in Österreich den Wehrdienst nicht aus einer populistischen Laune heraus abgeschafft haben.

Kommentare