Warum auch nicht? Van der Bellen ist gut beraten, den freiheitlichen Gegenkandidaten ernst zu nehmen. Die aktuelle KURIER/OGM-Umfrage bescheinigt ihm zwar einen soliden Vorsprung: Mit 63 Prozent würde das amtierende Staatsoberhaupt die Wiederwahl gleich im ersten Durchgang schaffen – und Rosenkranz mit 21 Prozent ein respektables Ergebnis einfahren, aber doch sein Ziel, VdB in eine Stichwahl zu zwingen, deutlich verfehlen.
Nun spricht tatsächlich viel dafür, dass VdB im ersten Durchgang bestätigt wird – wenngleich es ein Wiederwahltriumph wie für Rudolf Kirchschläger (1980, 79,9 %) und Heinz Fischer (2010, 79,3 %) nicht werden dürfte. Aber es ist nicht auszuschließen, dass Rosenkranz im Laufe des Wahlkampfs (der ja gerade erst beginnt) noch zulegt. Für all jene bürgerlichen Wähler, die der Ansicht sind, Van der Bellen habe hinter seiner freundlich-ruhig-verschmitzten Fassade doch immer wieder recht geschickt das Geschäft seiner Gesinnungsgenossen besorgt (auch durch die Wahl der Anlässe, zu denen er sich mit ernster Miene zu Wort gemeldet hat oder aber eben nicht) – für die könnte Walter Rosenkranz durchaus eine Option sein. Mehr vermutlich als es andere kolportierte FP-Kandidatinnen und -Kandidaten gewesen wären, wie etwa die favorisierte Susanne Fürst.
So gesehen war es vermutlich ein kluger Schachzug Herbert Kickls, den bürgerlich-seriös anmutenden, an die frühere „Honoratiorenpartei“ erinnernden Rosenkranz ins Rennen zu schicken. Und es war gewiss kein Zufall, dass Kickl bei der Präsentation seines Kandidaten – ungeachtet seines blindwütigen Kurz- und VP-Hasses – lobend an die ÖVP-FPÖ-Regierung unter Kurz und Strache erinnerte, als Rosenkranz Klubobmann im Nationalrat war; und daran, dass Van der Bellen an der Beendigung dieser Regierung nicht unbeteiligt gewesen sei.
Der Wahlkampf könnte also durchaus noch spannend werden (und spannend wird auch zu sehen sein, was alles noch an „Material“ gegen Rosenkranz „auftauchen“ wird). Für die FPÖ wird es sich am Ende des Tages jedenfalls gelohnt haben, kann sie doch ihre Themen in den kommenden Monaten mit entsprechender medialer Resonanz spielen. ÖVP und SPÖ haben ja entschieden, diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen.
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