Gscheitwaschl-Sprech

Wie man mit rhetorischen Nebelschwaden Tatsachen verschleiert und behübscht.
Martina Salomon

Martina Salomon

Wer in klaren Sätzen redet, ist hoffnungslos "old school".

von Dr. Martina Salomon

über rhetorische Nebelschwaden

Haben Sie schon einmal überlegt, wo Ihre Gedanken "verortet" sind? Oder was Sie demnächst "proaktiv" angehen wollen? Im "Diskurs" mit Menschen, die sich selbst für überdurchschnittlich halten, hört man solche Redewendungen alle zwei Minuten. Doch sehr oft ist das nur – Verzeihung – leerer Gscheitwaschl-Sprech.

Besonders ausgeprägt ist dieser in Bildungsdiskussionen. Das beginnt mit "Inklusion" und endet bei "Wissensgesellschaft".

Der gemeinsame Unterricht (Inklusion) aller Schüler – von hochbegabt bis "Kinder mit besonderen Bedürfnissen" – besteht allerdings oft nur auf dem Papier. Wenn LehrerInnen (gendergerecht formuliert) mit Störenfrieden (pardon verhaltensauffälligen, oder noch besser: verhaltensoriginellen Schülern) überfordert sind, wird an kreativen Lösungen gebastelt, wie man sie dennoch wieder los wird. Beispielsweise an "Mosaikklassen", eine Art Sonderschule light, weil es Sonderschulen ja nicht mehr geben darf.

Politisch korrekt

Seit Zuwanderer nicht mehr ab der zweiten Generation einfach ganz normale Österreicher sind, sondern lieber unter sich bleiben, ist die Bezeichnung "Migrationshintergrund" gang und gäbe. Möglicherweise ist das Problem "systemisch", grübeln die Migrationsforscher. Praktisch, mit diesem Wort tut man keinem weh. Und natürlich muss auf Teufel komm raus evaluiert werden. Empfohlen wird eine "prozess- und wirkungsorientierte" Herangehensweise, die unbedingt "nachhaltig" sein muss. Ja, Nachhaltigkeit ist überhaupt ein Zauberwort, auch in der Wirtschaft, und darf in keinem Papier eines "CEOs" oder "CFOs" fehlen. Englische Bezeichnungen sind mittlerweile Pflicht: Der frühere Personalist ist für "Human Resources" zuständig, und der Mann/die Frau für alles ist "Facility Manager". Sag niemals Hausmeister zu ihm – obwohl mittlerweile ohnehin jeder zweite akademische Titel ein "Master" ist.

Modekrankheiten

Unternehmen basteln ständig an ihrem "USP" (Alleinstellungsmerkmal), weil die Arbeitswelt immer "kompetitiver" wird. Daher leidet auch eine zunehmende Zahl an Arbeitnehmern (angeblich oder wirklich) an "Burn-out" – vor allem jene, die keine "Digital natives" sind. Vor einigen Jahren hieß diese Krankheit noch Depression und vor 100 Jahre Neurasthenie oder alternativ Hysterie, an der vorzugsweise Beamte und unterbeschäftigte Oberschicht-Ehefrauen litten. Neuerdings braucht man "Quality time", um sein Leben im Lot zu halten.

Natürlich gibt es auch Codewörter, bei denen man gleich ahnt, in welche Richtung sich eine Debatte entwickeln wird. Wenn davon die Rede ist, welche Aufgaben der Staat an Private abgeben könnte, dann ist bei der "Daseinsvorsorge" Schluss mit lustig. Da ist auch die "Zivilgesellschaft" nicht mehr weit. Klar, das geht gegen Konzerne & Kapitalismus.

Wer in klaren Sätzen redet, ist hoffnungslos "old school". Und läuft außerdem Gefahr, zu sagen, was wirklich Sache ist.

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