Dabei fiele in Sachen Queen-Begräbnis eine Differenzierung leicht. Ja, es gibt Dinge, die übertrieben sind, etwa die Beflaggung öffentlicher Gebäude in Österreich auf halbmast (wobei: Ist das echt ein Problem im Sisi-Land?). Oder die Üppigkeit der Berichterstattung – ein Auswuchs unseres Medienzeitalters, in dem alle tage- oder wochenlang in eine Richtung laufen, bis dann ein anderer Hund durchs Dorf gejagt wird.
Man könnte jedoch anhand des Begräbnisses der längst dienenden Königin der britischen Monarchie durchaus politische Schlüsse ziehen, selbst als bekennender Republikaner (wie der Autor dieser Zeilen). Dass etwa Tradition etwas sehr Schönes sein kann; dass die Menschen eines Landes Verbindendes brauchen, an dem sie sich erfreuen können oder das zu betrauern sich lohnt; dass es Wichtigeres gibt als zahlreiche kurzfristige politische Erregungen und man auch einmal langfristig denken kann (wenn schon nicht in Jahrhunderten wie die Engländer); dass es zumeist giftig wird, wenn ein Spitzenpolitiker nur die nächste Wahl im Fokus hat (und das ist definitiv kein Plädoyer für eine Monarchie oder gegen Wahlen); dass der Populismus der aktuellen Politik im krassen Gegensatz zu ernsthafter Strategie steht; dass man als Staatsoberhaupt nicht jeden Unsinn kommentieren muss; oder dass man über den Tellerrand schauen und trotzdem das eigene Land im Blickfeld haben kann (ok, da hat es England mit dem Commonwealth leichter, ist bei uns doch schon etwas her mit dem Weltreich).
All das heißt freilich nicht, dass es in Großbritannien keine Idiotien oder Selbstverliebtheiten gäbe – der zurückgetretene Premier ist ein Beispiel dafür. Und auch ökonomisch läuft es nach dem Ausscheiden aus der EU nicht sonderlich rund. Doch die Queen beweist über ihr Ableben hinaus, wie wichtig für eine Nation eine Identifikationsmöglichkeit ist, bei aller fundierter Kritik. Was das hierzulande wohl wäre? Beginnen wir mit der Suche. Jolly good luck!
Kommentare