So reden wir zwar seit zwei Jahren über Corona, aber kaum darüber, warum wir da bei überdurchschnittlichem Mitteleinsatz bisher nur unterdurchschnittlich gut durchgekommen sind. Österreich hat eine vergleichsweise hohe Zahl an Medizinern, Pflegepersonal und Intensivbetten pro Kopf, aber viele Corona-Tote. Ja, das liegt auch an der Zählmethode: Selbst hochbetagte Schwerkranke, die sich in den letzten Tagen ihres Lebens infizieren, werden addiert. Wobei man auch fragen muss: Warum waren Menschen im Spital oder Heim so schlecht geschützt? Wenn schon Impfpflicht, dann fürs Gesundheitspersonal.
Es gibt hierzulande hervorragendes Medizin-Personal, das in der Pandemie oft Übermenschliches leistete, und ein gutes, egalitäres Gesundheitswesen für Akutfälle. Aber das System ist schlecht bei Vorsorge, bei chronisch Kranken, bei unklaren Diagnosen, womöglich mit psychischer Komponente, und katastrophal beim Ineinanderspiel von niedergelassener und stationärer Versorgung, etwa für geriatrische Patienten. Hier passiert „Drehtürmedizin“: Patienten werden aus dem Spital entlassen, ohne ihre private Situation zu klären. Viele landen schnell wieder im „teuren“ Spitalsbett, weil daheim niemand nach ihnen schaut. Es herrscht gleichzeitig eine Personalflucht aus den öffentlichen Spitälern. Und eine Kassenpraxis zu übernehmen, ist für viele Jungmediziner unattraktiv. Etliche Stellen sind verwaist. Zunehmend berappen Patienten daher nicht nur hohe Kassenbeiträge, sondern auch Privatarzthonorare. Dass man darüber hinaus für eine Nacht im Spitalsbett „auf Klasse“ 1.200 Euro bezahlt – also nur, um im Einzel- statt im Vierbettzimmer zu liegen – zeigt, wie Privatpatienten abgezockt werden.
Die vielen Corona-Toten haben auch mit dem schlechten Gesundheitszustand zu tun. Die Lebenserwartung der Österreicher ist hoch, die Zahl der gesunden Lebensjahre im Alter unterdurchschnittlich. Übergewicht, Bluthochdruck und Diabetes erhöhen das Risiko, schwer an Corona zu erkranken. Ketzerische Nebenbemerkung: Die Lust auf Frühpension ist ungesund. Der 1929 in Wien geborene Nobelpreisträger Eric Kandel meinte auf die Frage, warum er im hohen Alter noch immer so fit sei: „Never retire – nie in Pension gehen!“ Darüber hinaus setzt die Politik Geld oft falsch ein: So haben die PCR-Tests allein in Wien ein Vielfaches der Kassenhonorare für alle Wiener Hausärzte gekostet. Diesen hätte man das Impfmanagement übertragen sollen.
Der Gesundheitsminister bereitet sich nun auf die Herbst-welle der Pandemie vor. Aber in Wahrheit muss er an grundsätzlicheren Schrauben im Gesundheitswesen drehen.
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