Geordneter Brexit? Dieser Vogel ist tot

Der geplante EU-Austritt ist längst ein Fall für Satiriker. Und er zeigt die Grenzen direkter Demokratie.
Gert Korentschnig

Gert Korentschnig

London war diese Woche im Abstimmungsmodus. Ursprünglich hätte im House of Commons über den von Premierministerin Theresa May mit Brüssel ausgehandelten Brexit-Deal abgestimmt werden sollen – verschoben.

Stattdessen wurde über den Tory-Parteivorsitz abgestimmt, also darüber, ob May noch das Vertrauen der Konservativen genießt. Diese Wahl immerhin konnte sie gewinnen. Wie es nun weitergeht? Das ist nicht mehr nur eine Frage für politische Kommentatoren, sondern auch für Satiriker.

Der Brexit erinnert mittlerweile an die Szene mit dem schwarzen Ritter in Monty Pythons „Die Ritter der Kokosnuss“. Diesem werden von König Arthus beide Arme abgeschlagen, er denkt aber nicht ans Aufgeben und beschimpft den Gegner: „Feigling, Feigling. Ich spuck dir ins Auge und blende dich.“ Dann kommt Arthus zu den Rittern, die immer Nie sagen – ein Hindernis nach dem anderen auf dem Weg zum heiligen Gral. May ergeht es ähnlich, Selbstbeschädigung aller Handelnden inkludiert. Unklar ist nur, was hier der Gral ist.

Wie auch immer das Vereinigte Königreich die EU verlassen wird, ob hart, ob weich, ob hart und weich zugleich, wann auch immer das passieren wird – am Tag X und in den ersten Jahren danach wird es ausschließlich Verlierer geben. Auch wenn manche im United Kingdom überzeugt davon sind, ohne den Ballast der ach so bösen EU bessere Deals mit Asien, Afrika und den USA aushandeln zu können. Im Zuge der Trennung vom alten Kontinent werden jedoch viele verbal inkontinent.

Die Situation ist bereits so bizarr, dass es selbst einem der genialen Schöpfer der Monty-Python-Gags schon zu viel wird. Auf die Frage, ob ihm irgendein Projekt mal zu blöd war, sagte Eric Idle auf der Plattform Reddit nur ein Wort: „Brexit.“ Dieser Vogel ist tot.

Schrulligkeit und Populismus

Wir haben diesmal Menschen befragt, die eine besondere Beziehung zu England haben, wie sie denn die aktuelle Situation beurteilen. Und was sie an England so sehr lieben. Nur mit der Schrulligkeit der Linksfahrer und Essig-Chips-Mampfer, der Regenschirm- und Ale-Erfinder, der Pie-Esser und Heißes-Wasser-mit-Milch-Trinker kann man jedoch die aktuelle Tragödie nicht mehr erklären. Auf der Suche nach den wahren Ursachen des Ausscherens und Abgrenzens landet man rasch bei der Eitelkeit und Rechthaberei politischer Protagonisten, bei Schürern des populistischen Feuers unter dem Brexit-Chimney sowie bei einer Boulevard-Demokratie.

Zur Erinnerung: Zum Brexit kommt es nur, weil der damalige Premier David Cameron für sein politisches Überleben und gegen seine eigene Überzeugung Europa auf dem Altar der Pseudo-Demokratie opferte. Heute ist das Referendum ein Beweis dafür, dass es falsch ist, bei Themen, die man derart missbrauchen kann, die politische Verantwortung an das Volk abzugeben. Selbst ein Land mit derart langer Demokratie-Tradition ist also diesbezüglich nicht sattelfest – dies allen Befürwortern bedingungsloser direkter Demokratie in Österreich.gert.korentschnig

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