So hat sich auch die Politik in den Kometenschweif begeben, den der sportliche Erfolg immer nach sich zieht. Kanzler Kurz gratulierte dem Team via Staatsfernsehen gleich vom Schanigarten aus (und war vermutlich heilfroh, sich einmal nicht mit Impf-Debatten und U-Ausschuss herumschlagen zu müssen). Bundespräsident Van der Bellen jubelte auf Twitter, wo zugleich Vizekanzler Kogler und SP-Chefin Rendi-Wagner – bzw. deren Social-Media-Abteilungen – schon vom Viertelfinale träumten.
So hat eine unerwartete EM-Euphorie das Land erfasst. Gut so. Denn gute Stimmung ist schon die halbe Miete. Das ist in der Politik so und ebenso in der Wirtschaft. Da geht es ja endlich kräftig bergauf. Bis zu vier Prozent Wachstum könnten es heuer sein; 2022 sogar noch mehr. Vorausgesetzt, es lassen sich genug Menschen impfen und es pfuscht nicht irgendeine Mutation dazwischen. Aber das soll jetzt nicht unsere Freude verderben.
Politik und Wirtschaft können vom Sport übrigens viel lernen. Befindet sich auch nur das kleinste Sandkorn im Getriebe eines Teams, läuft plötzlich alles schief (siehe "türkises Familybusiness"). Und der (vermeintlich) beste Chef hilft nichts, wenn kein Draht zur Mannschaft existiert (siehe die Ex-Kanzler Gusenbauer und Kern). Außerdem: Der Spirit muss passen. Der Spirit im Sport lautet: Erfolg. Teams sind Hochleistungsunternehmen. Die noch dazu ständig mit Niederlagen fertig werden müssen. Ein Aspekt, der psychologisch nicht genug gewürdigt werden kann.
Eine Niederlage gegen Italien würde unser Nationalteam also auch wegstecken. Und ganz ehrlich: Gegen Italien darf man verlieren. Den Italienern sei es sogar gegönnt, Europameister zu werden. Denn die Italiener haben wenig zu lachen. Im Süden des Landes finden Jugendliche keinen Job. Die Staatsschulden sind außer Kontrolle, und wie es um den Gesundheitssektor steht, haben uns die unvergesslichen Bilder aus dem Vorjahr gezeigt. Möge also Stürmerstar Ciro Immobile am Finaltag frei nach Baumgartner der Menge die Worte zurufen: "Godetevi questo giorno tutti insieme!"
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