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Meinung Gastkommentar

Worauf wollen wir warten?

Geschickte Unternehmen sehen den Fachkräftemangel als Chance

06/17/2022, 04:00 PM

272.000 Stellen können laut einer aktuellen WKÖ-Hochrechnung wegen Fachkräftemangels in Österreich derzeit nicht besetzt werden. Das belastet die eingesetzten Mitarbeiter und deren Familienangehörigen massiv. Es bedroht auch den Wirtschaftsstandort Österreich und den digitalen Wandel. Trotzdem ist es – gesellschaftlich betrachtet – etwas Gutes, wenn Arbeitsmarktteilnehmern so eine beachtliche Zahl an potenziellen Jobs zur Verfügung steht.

Es bedeutet, dass sich der Arbeitsmarkt dreht: Firmen bewerben sich zunehmend bei Mitarbeitern. Zumindest bei den guten. Arbeitswillige können wählen. Sie suchen faire bis attraktive Gehälter, flexible Arbeitszeiten, sinnvolle Jobs mit Entwicklungsmöglichkeiten und Wertschätzung. Wer das nicht versteht und weiter jammert, steht unter dem Verdacht, diesen fundamentalen Wandel am Arbeitsmarkt nicht verstanden zu haben und in der Arbeitgeberstrategie zu schwächeln.

Wer diese Herausforderung annimmt, der bekommt gute Mitarbeiter und einen Wettbewerbsvorteil gegenüber jenen mit unbesetzten Positionen. Besonders fundamental ist der Mangel an Fachkräften und IT-Kompetenzen bei den heimischen KMUs, unserem wirtschaftlichen Rückgrat. Zu Beginn der Pandemie konnte man das in Echtzeit sehen. Als es etwa für Lokale nicht mehr reichte, Bestellungen telefonisch entgegenzunehmen, und es darum ging, ein digitales Bestellsystem zu nutzen. Hier sollte man so rasch wie möglich, den heimischen KMUs unter die Arme greifen. Im IT-Bereich etwa fehlen Österreich 24.000 gut bezahlte Fachkräfte. In fünf Jahren sollen es 30.000 sein. In wenigen Monaten können Mitarbeiter in kompakten Prozessen in der IT ausgebildet und zu Unternehmen vermittelt werden, die dafür auch noch Zuschüsse bekommen. Viele Arbeitssuchende und Personen in Kurzarbeit, signalisieren das Potenzial und eine hohe Bereitschaft zur Umschulung in die IT. Warum also machen wir das nicht schon im großen Stil?

Nicht jeder dieser 530.000 Arbeitssuchenden oder Kurzarbeiter soll in die IT. Es ist nur ein Lösungsweg. Doch der IT-Fachkräftemangel ist einer der wesentlichsten Hürden der Digitalisierung – der wirtschaftlich und gesellschaftlich tiefgreifendste Transformationsprozess unserer Zeit. Das ist kein Wink mit dem Zaunpfahl, liebe Regierung, es ist ein Aufschrei. Es geht um unsere Wettbewerbsfähigkeit. Die Informatikbildung in Volks- und Mittelschulen sowie AHS muss ein fixer Bestandteil des Lehrplans werden. Es braucht eine ambitioniertere Bildungspolitik, die auf Ausbildung von IT-Fachkräften abzielt und das herrschende Ost-West-Gefälle in der IT-Ausbildung ausgleicht. Denn während die technischen Universitäten von Wien und Graz mehrheitlich den IT-Kompetenzpool ausbilden, ist der Qualifikationsoutput der westlichen Bundesländer immer noch eher dünn.

Michael Swoboda ist Geschäftsführer der österreichischen Bildungsplattform ETC.

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