Wir können Migrationskrisen vermeiden
Europa sieht sich erneut mit einer Migrationskrise konfrontiert. Innerhalb einer Woche kamen mehr als 10.000 Migranten an den Ufern von Lampedusa an, einer kleinen Insel mit etwa 6.000 Einwohnern, 145 Kilometer vor der Küste Tunesiens. Innerhalb weniger Stunden hat sich ihre Bevölkerung verdoppelt, mit all den Konsequenzen, die sich daraus für die Migranten, die Behörden und die Bewohner ergeben.
Wir haben bereits im Jänner dieses Jahres davor gewarnt, dass Europa in eine neue Migrationskrise schlittert. Damals beschuldigten uns Sozialdemokraten und Liberale, Populismus zu schüren. Sie wiesen unsere Warnungen und die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger zurück. Anstatt nach Lösungen zu suchen, um den irregulären Zustrom von Migranten nach Europa zu stoppen, ignorierten sie ihn. Während Bürgermeister und Stadträte aller Parteien erklären, dass sie an ihre Grenzen gestoßen sind, verzögern die Linken die überfällige Reform des Asyl- und Migrationsrechts in Europa. Sie sabotieren Versuche, mit Ländern in Nordafrika zusammenzuarbeiten, um die Anzahl der irregulären Bootsankünfte zu reduzieren.
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Der einzige Vorschlag, den Sozialdemokraten und Liberale zum Umgang mit irregulärer Migration erbracht haben, sind Such- und Rettungsmissionen. Das reicht aber nicht. Wir brauchen eine umfassende neue europäische Seemission im Mittelmeer, die auch wirklich in der Lage sein muss, Migranten an die nordafrikanische Küste zurückzubringen. Nur so kann das Geschäftsmodell krimineller Banden durchbrochen werden, die durch Menschenschmuggel reich werden. Realität ist auch, dass die Mehrheit der Menschen, die die Überfahrt unternehmen, Wirtschaftsmigranten sind, die kaum Chancen auf internationalen Schutz in Europa haben. Aber die Schlepper wissen, dass die Rückkehrpolitik nicht funktioniert. Einmal über der Grenze, sind Verfahren und Logistik so kompliziert und kostspielig, dass es nahezu unmöglich ist, jemanden zurückzuschicken. Trotzdem möchten die Linken in Europa die Gesetzgebung noch restriktiver gestalten. Anstatt zu versuchen, Wirtschaftsmigranten gleichmäßig in der EU zu verteilen, sollten sie schnell und konsequent zurückgeschickt werden.
Wir stehen zum grundlegenden Recht auf Asyl. Gleichzeitig hat sich das Ausmaß und die Komplexität der Migration radikal verändert. Es braucht mehr Realismus und weniger Idealismus in der Migrationsfrage.
Wir können Migrationskrisen vermeiden. Europa muss vereint für eine Asyl- und Migrationsreform einstehen. Wir sind näher an einer Einigung als je zuvor. In ein paar Jahren werden wir auf diesen Moment zurückblicken, entweder als die größte verpasste Chance in einem Jahrzehnt oder als den ersten Schritt zur Wiederherstellung der Ordnung bei den Migrationsströmen. Ohne eine europäische Lösung werden wir von einer Migrationskrise in die nächste schlittern und dabei die Rechtsextremen stärken. Die Zeit zum Handeln ist jetzt.
Manfred Weber ist Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europaparlament
Angelika Winzig ist ebendort ÖVP-Delegationsleiterin
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