Westliches Wunschdenken

Westliches Wunschdenken
Mit einseitiger Sichtweise treibt man Serbien weiter weg von der EU. Ein Gastkommentar von Franz Schausberger.

Man muss nicht gleich ein Unterstützer des serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić sein, wenn man sich bemüht, die Ereignisse um die Parlamentswahl in Serbien möglichst objektiv zu betrachten. Keinesfalls zweckdienlich ist es, wenn der Wunsch als Vater des Gedankens dominiert, wie das sowohl bei Politikern als auch Medien in den meisten Ländern des „Westens“ der Fall war, als sie Wochen vor der Wahl einen gewaltigen Verlust von Vučić’ SNS-Partei voraussagten und einen Sieg der Opposition wie in Polen als möglich darstellten.

Wer, wie ich, selbst in Belgrad war und mit vielen Menschen gesprochen hat, muss zu einer objektiveren Beurteilung kommen. Klar ist: Vučić dominierte den Wahlkampf als Staatspräsident und agierte als eigentlicher Parteichef, was bei uns undenkbar wäre. Viele, vor allem urban geprägte Menschen sagten klar, dass sie Vučić nicht wählen würden, gestanden aber ein, dass sie nicht wüssten, wen von der Opposition sie wählen sollten. Deren Spitzenkandidaten waren meist unbekannt, ein alternatives Programm zur Regierung fehlte völlig. Der Slogan „Serbien gegen Gewalt“ war nicht mehr aktuell und traf nicht die Bedürfnisse der Menschen. In einem wichtigen Punkt war man sich sogar mit Vučić einig: Keine Zugeständnisse im Kosovo-Konflikt. Das EU-Thema fand bei der Opposition nicht statt, da derzeit zu unpopulär – so viel zur „westlich orientierten“ Opposition.

Vučić wies immer wieder auf seine angeblichen bzw. tatsächlichen Erfolge hin und rief dazu auf, diesen Weg nicht zu stoppen. Dass ihm rund 47 Prozent folgten, kann man ihnen weder als Dummheit noch als Naivität anlasten. Es gab sicher Unregelmäßigkeiten, die nicht kleingeredet werden dürfen. Wohl von übereifrigen Parteigängern getätigt. Vučić selbst konnten diese kaum gelegen kommen, musste er doch wissen, dass dies nicht verborgen bleiben und nur zu Schwierigkeiten führen musste. Nach allgemeiner Einschätzung hätten diese Unregelmäßigkeiten das Gesamtergebnis dem Grunde nach nicht beeinflusst.

Anders ist dies mit Belgrad: Hier liegen die Ergebnisse sehr knapp beieinander, sodass eine Überprüfung und, wenn notwendig, eine neuerliche Wahl in einzelnen Stadtbezirken stattfinden muss. Dass aber die Anhänger von „Serbien gegen Gewalt“ ihre Ziele nun mit Gewalt durchzusetzen versuchen, die Fenster des Rathauses zertrümmern und dieses zu stürmen versuchen, erschüttert die Opposition in ihrer Glaubwürdigkeit schwer.

Dass man mit der einseitigen Parteinahme für die „westliche“ Opposition und einseitiger medialer Kommentierung wieder einmal Russland die Möglichkeit geboten hat, sich mit der serbischen Regierung zu solidarisieren, um damit die Situation noch komplizierter zu machen, löst beim objektiven Beobachter nur verständnisloses Kopfschütteln aus.

Franz Schausberger, ehem. Landeshauptmann von Salzburg (ÖVP), ist Vorsitzender des Instituts der Regionen Europas (IRE)

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