Wer hat Angst vorm Parlament?

Wer hat Angst vorm Parlament?
Das „freie Spiel“ der Kräfte ist viel besser als sein Ruf. Ein Gastkommentar von Barbara Blaha.

Wenn 183 Abgeordnete im Nationalrat sich völlig frei entscheiden dürfen, wenn sie nicht an eine Koalitionslogik gebunden sind – dann kommt nur Blödsinn raus. Das ist längst ein Allgemeinplatz geworden. Und die Regierung hat dieses Bild auch noch befeuert durch die Misstöne in der Regierung rund um das Renaturierungsgesetz. Der Kanzler hat die Regierung aber nicht aufgelöst, denn das freie Spiel der Kräfte brächte nur Chaos, hat er gewarnt.

Wer hat Angst vorm Parlament?

Barbara Blaha

Dabei ist das „freie Spiel“ der Kräfte viel besser als sein Ruf. Es gab wenige Phasen, in denen ein koalitionsfreier Raum bestand. Und die haben einen interessanten gemeinsamen Nenner: Es fallen Beschlüsse, die den finanziell weniger gut aufgestellten Menschen deutlich stärker zugutekommen. Schaut man sich das „freie Spiel der Kräfte“ seit 2008 an, dann hat nur von einem Fünftel aller Beschlüsse auch das reichste Einkommensdrittel profitiert.

2,2 Milliarden Euro aus diesen 20 Beschlüssen sind an das untere und mittlere Einkommensdrittel gegangen. Aber nur 200 Millionen ans reichste Drittel.

Ein Blick in die Gesamtbilanz der Regierung zeichnet hingegen ein gegenteiliges Bild. Während Corona wurden milliardenschwere Förderungen ausgeschüttet, rund die Hälfte davon ist an Unternehmen gegangen, die Gewinne geschrieben haben – die das Steuergeld also gar nicht gebraucht hätten. Von der Abschaffung der kalten Progression z. B. haben Besserverdiener deutlich mehr als Menschen mit niedrigen Einkommen. Die Senkung der Körperschaftssteuer, der Gewinnsteuer für Konzerne, reißt ein Loch von mindestens einer Milliarde in die Staatskasse. Dabei gehen drei Viertel der Steuersenkung an nur drei Prozent der größten Konzerne. Auch die als „Lohnnebenkosten“ verunglimpften Beiträge der Arbeitgeber zur Sozialversicherung wurden gesenkt. Die Hälfte der Ersparnis geht an die größten Unternehmen des Landes.

Die Rechnung für die Regierung hat uns nun der Fiskalrat präsentiert, der vor Überschuldung warnt. Die nächste Regierung wird ein saniertes Budget vorlegen müssen. Ideen für eine sozial gerechte Gestaltung gäbe es viele: Alleine, die Unternehmenssteuern wieder aufs alte Niveau zu heben, brächte das Doppelte des Einsparungsbedarfs, den der Fiskalrat fordert. Alleine, die Beiträge der Arbeitgeber zur Sozialversicherung, die seit 2014 immer weiter gesenkt worden sind, wieder auf das alte Niveau zu heben, würde schon das Sparziel erfüllen. Mit der Einführung von Vermögenssteuern, für die sich eine klare Mehrheit ausspricht, wäre das Sparziel ebenso übererfüllt.

Fiskalrat-Chef Christoph Badelt hat in der „ZiB 2“ den Finger in die Wunde gelegt: Steuern auf Vermögen seien im internationalen Vergleich sehr gering. „Ich vermute, dass man daraus die Konsequenzen ziehen wird.“ Zieht die nächste Regierung die Konsequenz aber nicht, marschieren wir munter ins Defizit.

Barbara Blaha leitet das ökosoziale, gewerkschaftsnahe Momentum Institut.

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