Wenn Erwachsene über Psychotherapie streiten
Mein Berufskollege Helmut Schwanzar kritisiert in einem Gastkommentar ein neu entstehendes Psychotherapiegesetz, welches die Psychotherapieausbildung endgültig auf akademische Beine stellen soll. Sein Beitrag kommt spät: eine Gesetzesvorlage liegt im Parlament und die Berufsinteressensvertretungen haben eine Stellungnahme vorgelegt, die im Wesentlichen diese Gesetzesvorlage begrüßt.
Viele der kritischen Einwände haben Eingang gefunden; die Hauptsorge, dass nur in Theorie ausgebildete künftige Kolleginnen und Kollegen auf Klientinnen und Klienten losgelassen werden, trifft so nicht zu. Die Zulassung zur selbstständigen Tätigkeit erfolgt je nach Vorbildung auch in Hinkunft erst durch Fachvereine im dritten Abschnitt und unter Supervision von ausbildendem Fachpersonal. Es ist ärgerlich, dass durch den Kommentar die Bereitschaft der Grünen, sich nämlich auf einen Diskussionsprozess einzulassen und nicht stur eine Akademisierung durchzuziehen, nicht gewürdigt und gar diskreditiert wird.
Einige wichtige Anliegen wurden berücksichtigt: die Möglichkeit zur Ausbildung für geeignete und erfahrene Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, vor allem auch für Berufstätige mit Familie; die entsprechende Gewichtung von Eigentherapie und Supervision für künftige KollegInnen sowie vorrangig die Einbindung bewährter Fachverbände.
Gegenüber dem mangelhaften Gesetz in Deutschland bleiben vier Cluster an Therapierichtungen in ihrer Bedeutung und Vielfalt bestehen. Natürlich birgt eine Verlagerung wesentlicher Teile an die Uni neben den neuen Möglichkeiten auch Unwägbarkeiten, da Unis eigene Dynamiken in Konkurrenz und Fachlichkeit mit sich bringen. Die Sorge des Kollegen, dass PsychologInnen und MedizinerInnen mit ihrem Grundstudium schon jenen gleichgestellt seien, welche ein Masterstudium der Psychotherapie absolviert haben, kann noch entsprechend überprüft und berücksichtigt werden.
Es war kein leichtes Unterfangen, Ausbildungsansätze von Fachvereinigungen und der Universität zu koordinieren. Viel Skepsis und gegenseitiges Misstrauen galt es auszuhalten. Auch übliche Rivalitäten zwischen Medizin, Psychologie und Psychotherapie bezüglich fachlicher Kompetenzen finden in einer würdigenden Anerkennung entsprechender Vorstudien Berücksichtigung. Wenn der jetzt vorliegende Gesetzesentwurf ohne gravierende Abänderungen beschlossen wird, ist die Sichtweise angebracht, dass hier zwei scheinbar bislang unvereinbare autonome Bereiche, die Fachvereine einerseits und die Universitäten andererseits, in einem vernünftigen Kompromiss zur Kooperation finden müssen, deren Umsetzung eine permanente Aufgabe für die nächsten zwei Jahrzehnte zum Wohl der Klientinnen und Patienten ist. Streitende Erwachsene finden mitunter auch zu tragfähigen Einigungen.
Walter Kabelka ist personzentrierter Psychotherapeut; kritische Stimme innerhalb der Grünen
Kommentare