Kurzer Sommer der Demokratie

Kurzer Sommer der Demokratie
Das Ende einer qualitätsvollen Psychotherapieausbildung naht. Ein Gastkommentar von Helmut Schwanzar.

1990 war einer der seltenen Momente, in denen sich Österreich dazu aufraffte, ein mutiges, zukunftsweisendes, historisches Wagnis einzugehen und ein Psychotherapiegesetz zu verabschieden, das bis heute weltweit führend ist. Dies ermöglichte eine Psychotherapieausbildung auf höchstem Niveau. Der pluralistische Zugang, die vielfältigen Strömungen und Ansätze haben zu einem sich gegenseitig anspornenden Wettbewerb der besten Methoden geführt, der europaweit, ja fast weltweit einzigartig ist.

Leider geht dieses Erfolgsmodell zu Ende. Wie immer, wenn etwas erfolgreich funktioniert, weckt es Begehrlichkeiten von in die Jahre gekommenen Institutionen. Daher war es nur eine Frage der Zeit, dass die Universitäten, die unter der Konkurrenz von Fachhochschulen und Privatunis leiden, nach neuen Geschäftsmodellen Ausschau halten. Dass ausgerechnet die Grünen zum Totengräber des Erfolgsmodells werden, schmerzt mich ganz besonders.

Jetzt soll ein neues Psychotherapiegesetz kommen und damit eine neue Psychotherapieausbildung. Alles unter dem Vorwand, dass diese zukünftig wie jedes andere Regelstudium kostenfrei sein soll. Kostenfrei heißt aber nur, dass die Allgemeinheit dies zukünftig finanzieren soll. Kostenfrei wäre überaus wünschenswert, aber leider glaubt niemand daran. Ganz wesentliche Elemente wie Selbsterfahrung oder Supervision werden immer selbst zu zahlen sein oder sie finden in einem Hörsaal mit 50 oder 100 Studierenden statt und haben dann praktisch keine Qualität.

Pseudoargument

Das zweite Pseudoargument ist die Versorgungssicherheit. Dabei ist es innerhalb kurzer Zeit gelungen, 11.000 PsychotherapeutInnen in die Versorgung zu bringen. Zukünftig wird es aber nur mehr 500 Studienplätze an 3-4 Universitäten geben, sodass man das Studium weder dezentral noch berufsbegleitend absolvieren kann, wie es bisher möglich war. Was aber für das Erfassen der Lebenswirklichkeit der PatientInnen ein wesentlicher Qualitätsfaktor ist.

Die  Krankenkassen hätten außerdem die Versorgungssicherheit  mit einem Federstrich dramatisch erhöhen können, indem sie Psychotherapie voll finanzieren. Psychotherapie als Sachleistung ist eine Jahrzehnte alte Forderung. Stattdessen ist im neuen Gesetz vorgesehen, dass die 600 Stunden, die angehende PsychotherapeutInnen in der Ausbildung mit PatientInnen  arbeiten müssen, auf 1000 erhöht werden. Für diese Stunden bekommen Patientinnen keinen Zuschuss, was  den Krankenkassen höhere Einsparungen bringt.

Auch die angebliche Qualitätssteigerung ist ein fadenscheiniges Argument. Im geplanten 3-phasigen Ausbildungsmodell dürfen Studierende in der dritten Phase unter Supervision mit realen Personen psychotherapeutisch arbeiten, wobei ÄrztInnen, PsychologInnen etc. die ersten beiden Ausbildungsschritte angerechnet werden. Das bedeutet aber de facto, dass Unis beschließen könnten, dass nach Anrechnung des Medizin- oder Psychologiestudiums sofort mit realen PatientInnen eine Psychotherapie unter Supervision durchgeführt werden kann, ohne jemals etwas von Psychotherapie gelernt zu haben.

Aus tiefstem Herzen bedauere ich diese Entwicklung und fürchte, dass in Zukunft Personen, die sich in schweren Lebenskrisen befinden, PsychotherapeutInnen gegenüber sitzen werden, die nicht entsprechend fundiert ausgebildet sind, um hilfreich tätig sein zu können.

Helmut Schwanzar ist personzentrierter Psychotherapeut

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